Das Leben Mohammeds, des arabischen Propheten (German Edition)
keine Ordnung herrsche, und welches von Dunkelheiten, Mangel an Zusammenhang, Wiederholungen, verfälschten biblischen Erzählungen und offenbaren Widersprüchen wimmele. Das Wahre daran ist, daß der Koran, wie er jetzt vorliegt, nicht derselbe ist, welchen Mohammed seinen Schülern überlieferte, sondern viele Verschlechterung erfahren und viele Einschiebsel erhalten hat. Die in ihm enthaltenen Offenbarungen wurden zu verschiedenen Zeiten, an verschiedenen Orten und vor verschiedenen Personen verkündigt; manchmal wurden sie auf Pergament, auf Palm-oder auf Schulterblätter von Schafen durch Mohammeds Secretaire oder Schüler niedergeschrieben und miteinander in eine Kiste gelegt, über welche eine von seinen Frauen die Aufsicht führte; manchmal wurden sie von denen, welche sie hörten, nur im Gedächtnisse aufbewahrt. Man scheint nicht Sorge getragen zu haben, dieselben während seines Lebens zu einem geordneten Ganzen zusammenzustellen; bis zu seinem Tode waren sie in zerstreuten Bruchstücken vorhanden und viele derselben der Willkür betrügerischer Erinnerungskraft anvertraut. Erst einige Zeit nach seinem Tode unternahm es Abu Beker, sie sammeln und abschreiben zu lassen. Zeid Ibn Thabet, welcher einer von Mohammeds Secretairen gewesen war, wurde zu diesem Geschäfte verwendet. Er bekannte, viele Theile des Korans auswendig zu wissen, da er sie, wie sie ihm der Prophet dictirte, niedergeschrieben hatte; andere Theile, welche in der rohen, oben erwähnten Weise schriftlich abgefaßt waren, hatte er aus verschiedenen Händen erhalten, und viele Stücke nahm er auf, wie sie ihm verschiedene Schüler, welche sie aus Mohammeds Munde gehört zu haben behaupteten, wiederholten. Die ungleichartigen, auf diese Weise gesammelten Bruchstücke wurden ohne Sichtung, ohne Zeitordnung und ohne Plan irgend einer Art zusammengeworfen. Diese also gebildete Sammlung wurde während Abu Bekers Kalifat von unterschiedlichen Händen abgeschrieben, und viele beglaubigte Abschriften in Umlauf gebracht und in den moslemischen Städten verbreitet. So viele Irrthümer, Einschiebsel und widersprechende Lesarten schlichen sich bald in diese Abschriften ein, daß Othman, der dritte Kalif, die mannichfaltigen Handschriften einforderte und nachdem er daraus das, was er den ächten Koran nannte, gebildet hatte, alle andern zerstören ließ.
Dieser einfache Thatbestand mag für viele Zusammenhangslosigkeiten, Wiederholungen und andere Uebelstände, welche diese merkwürdige Urkunde belasten, den Grund enthalten. Mohammed kann, wie bereits bemerkt worden ist, dieselben Vorschriften gegeben, oder dieselbe moralische Erzählung zu unterschiedlichen Zeiten, unterschiedlichen Personen in verschiedenen Worten vorgetragen, oder verschiedene Personen können zu einer und derselben Zeit gegenwärtig gewesen sein und seine Worte mit verschiedenen Abänderungen wiederholt und seine Gleichnisse und biblischen Geschichten nach ihren unvollständigen Anmerkungen oder ihren mangelhaften Erinnerungen verbreitet haben. Viele Offenbarungen, welche von ihm als solche, welche an die Propheten vor ihm ergangen waren, mitgetheilt worden sind, hat man als ihm selbst gewordene Offenbarungen weiter verkündigt. Es ist angedeutet worden, daß es Abu Beker in der ersten Zeit seines Kalifats für staatsklug erachtet haben mag, viele Dinge in den Koran einzuschieben, um sich beim Emporsteigen darauf zu stützen und die Herrschaft des Islams zu befestigen. Welch fälschliche Abänderungen und Einschaltungen nach des Propheten Tode von andern und weniger gewissenhaften Händen geschehen sein mögen, können wir nach den kühnen Freiheiten beurtheilen, welche sich Abdallah Ibn Saad, einer seiner Schreiber, bei seinen Lebzeiten genommen hatte.
Aus allen diesen Umständen wird erhellen, daß selbst die urkundlichen Denkmale über Mohammed an Verfälschungen reich sind, während die mündlich fortgepflanzten Nachrichten von Fabeln wimmeln. Dies steigert die Schwierigkeit, das Räthsel seines Charakters und Verhaltens zu lösen. Seine Geschichte scheint sich in zwei große Abtheilungen zu scheiden. Während der ersteren Hälfte bis in die Zeit seines mittleren Lebens können wir nicht erkennen, welchen entsprechenden Gegenstand er durch den gottlosen und Staunen erregenden Betrug, mit welchem belastet er dasteht, hätte gewinnen können. War es Reichthum? Seine Verheirathung mit Kadidschah hatte ihn zum wohlhabenden Manne gemacht, und in den Jahren, welche seinem angeblichen
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