Das Leben Mohammeds, des arabischen Propheten (German Edition)
Gesichte vorhergingen, hat er kein Verlangen an den Tag gelegt, seine Schätze zu vermehren. War es Auszeichnung? Er nahm als Mann von Einsicht und Rechtschaffenheit bereits eine hohe Stellung in seiner Geburtsstadt ein. Er gehörte zu dem erlauchten Stamme Koreisch und zu dem geehrtesten Zweige dieses Stammes. War es Macht? Das Hüteramt an der Kaaba und mit ihm den Oberbefehl in der heiligen Stadt hatte seine unmittelbare Familie Generationen hindurch inne gehabt, und seine Stellung und Verhältnisse berechtigten ihn, diesen erhabenen Posten mit Vertrauen zu erwarten. Indem er versuchte, den Glauben, in welchem er erzogen war, zu stürzen, zerstörte er den Grund aller dieser Vortheile. Auf diesen Glauben waren die Glücksgüter und Würden seiner Familie gegründet. Der Angriff auf denselben mußte ihm die Feindschaft seiner Verwandten, den Unwillen seiner Mitbürger, den Abscheu und Haß aller seiner Landsleute zuziehen, welche in der Kaaba ihren Götzendienst ausübten.
Gab es irgend etwas Glänzendes bei dem Beginn seiner prophetischen Laufbahn, um ihn für diese Opfer zu entschädigen und ihn anzulocken? Im Gegentheil, er begann in Ungewißheit und Verborgenheit. Jahre hindurch wurde sie nicht von einem wesentlichen Erfolge begleitet. In dem Verhältnisse, in welchem er seine Lehren bekannt machte und seine Offenbarungen verkündigte, setzten ihn dieselben der Verlachung, dem Spotte, dem Tadel und schließlich einer hartnäckigen Verfolgung aus, welche sein eigenes Vermögen und das seiner Freunde ruinirte; welche einige seiner Familienglieder und Anhänger zwang, in ein fremdes Land zu fliehen; welche ihn nöthigte, sich in seiner Geburtsstadt vor der Menge zu verbergen, und ihn zuletzt als Flüchtling hinaus trieb, um anderwärts eine unsichere Heimath zu suchen. Warum sollte er auf einem fortlaufenden Betruge beharren, welcher sein ganzes zeitliches Glück zu Boden warf und noch dazu in einem Lebensalter, wo es zu spät war, um es wieder aufzubauen?
In Ermangelung ausreichender weltlicher Beweggründe sind wir gezwungen, irgend eine andere Erklärung seines Verhaltens auf dieser Stufe seiner höchst rätselhaften Geschichte zu suchen, und dies ans Licht zu stellen, haben wir uns in dem früheren Theile dieses Werkes bemüht; wir haben daselbst auf seinen schwärmerischen und zu Gesichten geneigten Geist hingewiesen, welcher sich durch Einsamkeit, Fasten, Beten und Grübeln und durch Aufreizung infolge körperlicher Krankheit in einen Zustand zeitweiliger Geistesverwirrung hinein arbeitete, in welcher er sich einbildete, er empfinge eine Offenbarung vom Himmel und würde für den Propheten des Allerhöchsten erklärt. Wir können nicht anders denken, als daß in dem vorliegenden Falle ein Selbstbetrug im Spiele war, und daß er an die Wirklichkeit seines Traumes und Gesichtes glaubte, besonders nachdem seine Zweifel von der eifrigen und vertrauensvollen Kadidschah und dem gelehrten und gewandten Waraka bekämpft worden waren.
Da er einmal von seiner göttlichen Sendung, aufzutreten und den Glauben zu predigen, überzeugt war, so konnten alle nachfolgenden Träume und Anregungen in demselben Sinne gedeutet und als Bekanntmachungen des göttlichen Willens, welche ihm als einem Propheten auf verschiedene Art mitgetheilt wurden, betrachtet werden. Wiederholt war er in Zeiten besonderer Gemüthsbewegung in Entzückungen versetzt, wo er sich eingebildet haben mag, abermals mit der Gottheit in Verkehr zu stehen, denn diese Entzückungen waren fast immer von Offenbarungen begleitet.
Das Verhalten desselben im Allgemeinen ist bis zur Flucht aus Mekka das eines Begeisterten, welcher unter einer Art geistiger Täuschung steht und von der Ueberzeugung ganz erfüllt ist, ein für religiöse Reform Bevollmächtigter Gottes zu sein. Und etwas Ergreifendes und Erhabenes liegt in dem lichtvollen Pfade, welche sein feuriger Geist durch den irre führenden Wirrwarr entgegensetzter Glaubensweisen und Ueberlieferungen für sich betrat; etwas Ergreifendes und Erhabenes in der reinen und geistigen Verehrung des Einen wahren Gottes, welche er an die Stelle des blinden Götzendienstes seiner Kindheit zu setzen gedachte.
Alle Theile des Korans, welche er, wie angenommen wird, in dieser Zeit bekannt machte, wie unzusammenhängend sie auch auf uns gekommen sind, und wie entstellt auch ihre ursprüngliche Schönheit werden mußte, da sie durch verschiedene Hände gingen, haben doch einen lautern und erhabenen Charakter und athmen
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