Das Leben Mohammeds, des arabischen Propheten (German Edition)
dann eingenommen haben konnte. Als sie im Begriffe war einzusteigen, vermißte sie ihr Halsband und kehrte in das Zelt zurück, um es zu suchen. In derselben Zeit hoben die Diener die Sänfte auf das Kameel und schnallten sie fest, ohne zu bemerken, daß sie Nichts enthielt, weil Ayescha schlank und von geringer Schwere war. Als sie von dem Suchen des Halsbandes zurückkehrte, war das Kameel abgegangen und die Armee auf dem Marsche; hierauf wickelte sie sich in ihren Mantel und setzte sich nieder, indem sie hoffte, daß man, wenn ihre Abwesenheit entdeckt werden sollte, einige Personen zurücksenden würde, um sie aufzusuchen.
Während sie so dort saß, kam der junge Araber Safwan Ibn al Moattel, der zur Nachhut gehörte, herbei und redete sie, als er sie erkannte, mit dem gewöhnlichen Moslemengruße an: »Gotte gehören wir und zu Gotte müssen wir zurückkehren! Gattin des Propheten, warum bleibst du zurück?«
Ayescha entgegnete Nichts, sondern zog den Schleier straffer über das Gesicht. Safwan stieg hierauf ab, half ihr das Kameel besteigen und den Zaum ergreifend eilte er, um die Armee zu erreichen. Die Sonne war indessen aufgegangen, bevor er sie gerade vor den Mauern Medinas einholte.
Diese Erzählung, welche von Ayescha mitgetheilt und von Safwan Ibn al Moattel bestätigt wurde, genügte ihren Aeltern und den näheren Freunden; aber von Abdallah und dessen Anhängern, »den Heuchlern«, wurde über dieselbe gespottet. Zwei Parteien entstanden wegen dieser Sache und großer Zank folgte. Was Ayescha betrifft, so schloß sie sich in ihre Wohnung ein, wies alle Nahrung zurück und weinte Tag und Nacht in ihrem Herzeleid.
Mohammed war höchlich beunruhigt und fragte Ali in seiner Verlegenheit um Rath. Dieser nahm die Sache auf die leichte Achsel, indem er bemerkte, daß sein Unglück häufig das Loos des Mannes wäre. Durch diesen Ausspruch wurde der Prophet nur wenig getröstet. Einen Monat lang blieb er von Ayescha getrennt; aber sein Herz sehnte sich nach ihr, nicht blos wegen ihrer Schönheit, sondern weil er ihre Gesellschaft liebte. In einem Kummeranfall gerieth er in eine jener Verzückungen, welche die Ungläubigen der Epilepsie zuschreiben. Während derselben empfing er eine passende Offenbarung, die in einer Sure (XXIV) des Korans gefunden wird. Das Hauptsächlichste ist Folgendes:
Diejenigen, welche eine ehrbare Frau des Ehebruchs beschuldigen und nicht vier Zeugen der That beibringen, sollen mit achtzig Peitschenhieben bestraft und ihr Zeugniß verworfen werden. Was die betrifft, welche die Anklage gegen Ayescha erhoben haben, haben sie vier Zeugen dafür beigebracht? Wenn sie es nicht können, so sind sie Lügner vor Gottes Angesicht. Laßt sie also die Strafe für ihr Vergehen erleiden!
Nachdem die Unschuld der schönen Ayescha so wunderbar kund gemacht worden war, so drückte sie der Prophet mit vermehrter Liebe an sein Herz. Auch zögerte er nicht mit Ertheilung der vorgeschriebenen Züchtigung. Abdallah Ibn Obba war zwar eine zu mächtige Persönlichkeit, um der Geißel preis gegeben zu werden, aber desto schwerer fiel sie auf die Schultern seiner Mitschuldigen. Der Dichter Hasan wurde von der Neigung, satyrische Verse zu machen, für einige Zeit geheilt; auch Hamna, obgleich ein Weib und mit großen persönlichen Reizen begabt, konnte der Erduldung der Geißelhiebe nicht entgehen; denn Mohammed bemerkte, daß solche Schönheit mit einem freundlicheren Charakter hätte verbunden sein sollen.
Die Offenbarung hatte auch den ergebenen Ali von Ayescha’s Reinheit überzeugt; aber niemals vergaß und vergab sie es, daß er daran gezweifelt hatte, und der auf diese Weise ihrem Herzen eingepflanzte Groll zeigte sich zu seinem großen Nachtheile in vielen der wichtigsten Angelegenheiten seines späteren Lebens.
Dreiundzwanzigstes Capitel.
Der Krieg am Graben – Saad Ibn Moad’s Tapferkeit – Niederlage der Koreischiten – Einnahme der jüdischen Burg Koraidha – Saad entscheidet über die Bestrafung der Juden – Mohammed verlobt sich mit Rehana, einer jüdischen Gefangenen – Sein Leben wird durch Zauberei gefährdet; durch eine Offenbarung des Engels Gabriel gerettet.
Während des Waffenstillstandsjahres, das auf die Schlacht am Ohod folgte, errichtete Abu Sofian, das ruhelose Oberhaupt der Koreischiten, mit dem arabischen Stamme Ghatafan und anderen Stämmen der Wüste sowie mit vielen Juden vom Geschlechte Nadher, welche Mohammed aus ihrer Heimath vertrieben hatte, ein Bündniß.
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