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Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Titel: Das Leben, natürlich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Strout
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kaufen ihnen Kühlschränke und Waschmaschinen und komplette Topf- und Pfannengarnituren. Und ich denke: Stimmt mit mir etwas nicht, dass ich keine Lust habe, einer Somalierin einen Kühlschrank zu kaufen? Ich meine, selbst wenn ich das Geld hätte, was nicht der Fall ist.« Susan starrte ins Leere, dann beugte sie sich wieder über ihr Strickzeug. »Ich verspüre einfach keinerlei Drang, diese Frauen durch die Gegend zu schleppen und ihnen Sachen zu kaufen und es hinterher überall rumzuposaunen. Es macht mich irgendwie zynisch.« Sie schlug die Fußgelenke übereinander. »Ich habe diese Freundin«, fuhr sie fort, »Charlene Bergeron, als die Brustkrebs gekriegt hat, haben sich alle überschlagen vor Hilfsbereitschaft, passten auf die Kinder auf, brachten Charlene in die Chemotherapie. Aber dann, ein paar Jahre später, ließ ihr Mann sich von ihr scheiden. Und zack. Nichts mehr. Null. Kein Mensch hat noch einen Finger für sie gerührt. Und das tut weh, Bob. Genau wie bei mir, als Steve gegangen war. Ich wusste nicht aus noch ein vor Angst. Ich dachte, vielleicht kann ich nicht mal das Haus halten. Aber hat mir jemand einen Kühlschrank spendiert? Hat mir jemand auch nur mal einen Burger spendiert? Und mir ging’s dermaßen elend! Ich war einsamer als alle diese Somalier zusammengenommen. Die haben wenigstens ihre ganze Sippe dabei.«
    »Ach, Susie«, sagte Bob. »Das tut mir leid.«
    »Die Menschen sind komisch, das ist alles.« Susan rieb sich mit dem Handrücken über die Nase. »Manche sagen, es wäre auch nicht anders als damals, als die Stadt voll mit Französisch sprechenden frankokanadischen Ziegeleiarbeitern war. Aber es ist doch anders, denn was alle zu erwähnen vergessen, ist, dass sie am liebsten gar nicht hier wären. Sie warten nur darauf, dass sie wieder heim dürfen. Sie haben kein Interesse daran, sich zu integrieren. Sie sitzen einfach bloß da, und dabei steht für sie fest, dass unsere Lebensweise oberflächlich und billig und mies ist. Und das kränkt mich, ganz ehrlich. Und sie öffnen sich kein bisschen nach außen.«
    »Also komm, Susie. Die Frankokanadier haben sich auch erst nach Jahren geöffnet.«
    »Trotzdem, Bob.« Sie ruckte an ihrer Wolle. »Und sie heißen nicht mehr Frankokanadier. Franko-Amerikaner, wenn ich bitten darf. Die Somalier mögen es nicht, wenn man sie mit ihnen vergleicht. Mit denen haben sie nichts gemein, sagen sie. Sie sind einzigartig .«
    »Sie sind Muslime.«
    »Danke für den Hinweis«, sagte sie.
    Als er nach einer Zigarette ins Haus zurückkam, holte Susan gerade eine Packung Hotdogs aus der Gefriertruhe. »Sie praktizieren Frauenbeschneidung.« Sie ließ Wasser in einen Topf einlaufen.
    »Oi, Susan.«
    »Selber oi. Himmelherrgott. Möchtest du auch eine Wurst?«
    Er setzte sich im Mantel an den Küchentisch. »Das ist bei uns illegal«, sagte er. »Seit Jahren schon. Und sie heißen Somali, nicht Somalier.«
    Susan drehte sich um, die Gabel vor die Brust gehoben. »Siehst du, Bob, deshalb seid ihr Liberale so zum Kotzen. Entschuldige. Aber ihr seid zum Kotzen. Wir haben hier kleine Mädchen, die beinahe verbluten – die ins Krankenhaus eingeliefert werden, weil sie in der Schule bluten wie verrückt. Oder die Familie legt zusammen und schickt sie heim nach Afrika, um es dort machen zu lassen.«
    »Meinst du nicht, wir sollten Zach fragen, ob er auch Hunger hat?« Bob rieb sich den Nacken.
    »Ich bringe ihm die hier rauf.«
    »Man sagt auch nicht mehr ›Neger‹, Susan, falls du das noch nicht mitgekriegt hast. Oder ›Spastiker‹. So was müsstest selbst du wissen.«
    »Mein Gott, Bob, ich hab dich doch nur aufgezogen. So, wie du dir den Hals nach ihm verrenkt hast.« Susan sah in den Topf auf dem Herd, und nach einem Augenblick sagte sie: »Sei nicht böse, aber ich vermisse Jim.«
    »Mir wäre es auch lieber, wenn er hier wäre.«
    Sie drehte sich um, ihr Gesicht rosa vom Wasserdampf. »Einmal, kurz nach dem Packer-Prozess, habe ich dieses Paar im Einkaufszentrum über Jim reden hören – er hätte nur deshalb von Staatsanwalt auf Verteidiger umgesattelt, sagten sie, um an die großen Fälle zu kommen und reich zu werden. Ich dachte, ich spinne.«
    »Ach, das sind Idioten, Susie.« Bob winkte ab. »Anwälte wechseln ständig die Seiten. Und er hatte auch in der Hartforder Kanzlei schon als Verteidiger gearbeitet. Irgendeinen verteidigt man immer. Wenn nicht den Angeklagten, dann das Volk. Der Prozess ist ihm in den Schoß gefallen, und er hat

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