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Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Titel: Das Leben, natürlich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Strout
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Freundin von Susan?«, fragte er.
    »Ich wäre es gern. Ich bin die unitarische Pastorin. Margaret Estaver«, sagte sie noch einmal.
    »Susan ist in der Arbeit.«
    Margaret Estaver nickte, als hätte sie es nicht anders erwartet. »Na ja, wahrscheinlich will sie mich eh nicht sehen, aber ich dachte – na ja, ich wollte einfach mal vorbeischauen. Das Ganze nimmt sie sicher ziemlich mit.«
    »Ja, sehr.« Bob griff nach der nächsten Zigarette. »Stört es Sie – Entschuldigung, aber … «
    Sie winkte ab. »Ich hab auch mal geraucht.«
    Er zündete die Zigarette an, zog die Knie hoch und stützte die Ellenbogen darauf, damit sie das Zittern in seinen Beinen nicht sah. Er blies den Rauch von ihr weg.
    »Es ist mir erst heute Morgen klargeworden«, sagte sie. »Ich sollte Zachary und seiner Mutter meine Hilfe anbieten.«
    Er betrachtete sie blinzelnd. Ihr Gesicht besaß eine große Lebendigkeit. »Ich habe es nur schlimmer gemacht«, gestand er. »Eine somalische Frau glaubt, ich hätte sie überfahren wollen.«
    »Davon hab ich gehört.«
    »Was? Schon?« Neuerliche Furcht schoss in ihm auf. »Es war keine Absicht«, sagte er. »Wirklich.«
    »Das weiß ich doch.«
    »Ich habe bei der Polizei angerufen. Ein Polizist war dran, der mit mir in der Schule war, nicht Gerry O’Hare – der war auch mit mir in der Schule – , sondern Tom Levesque; er hatte gerade Dienst, als ich anrief. Er hat gesagt, ich soll mir keine Sorgen machen.« (Um genau zu sein, hatte Tom Levesque gesagt, dass die Somali alle einen Schuss hätten. »Vergiss es«, hatte Tom gesagt. »Die sind so was von fickrig. Vergiss es.«)
    Margaret Estaver streckte die Füße vor sich aus und schlug die Knöchel übereinander. Sie trug offene Clogs, dunkelblau, zu dunkelgrünen Socken. Das Bild prägte sich sacht seinem Auge ein, während er sie sagen hörte: »Die Frau sagt, Sie hätten sie nicht überfahren, sondern es nur versucht. Sie erstattet keine Anzeige, da kommt also nichts nach. Viele der Somali hier haben kein allzu großes Vertrauen in die Obrigkeit, wie Sie sich sicher vorstellen können. Und jetzt im Moment sind sie natürlich besonders empfindlich.«
    Bobs Beine zitterten immer noch. Auch die Hand, mit der er sich die Zigarette in den Mund steckte, zitterte.
    Margaret sprach derweil weiter. »Ich habe gehört, dass Susan den Jungen seit ein paar Jahren alleine großzieht. Meine Mutter hat mich allein großgezogen, und das ist kein Zuckerschlecken, das weiß ich.« Sie setzte hinzu: »Viele der Somali-Frauen müssen ihre Kinder auch ohne Väter großziehen. Aber sie haben in der Regel weit mehr als nur ein Kind, und sie haben Schwestern oder Tanten. Susan kommt mir sehr allein vor.«
    »Ja.«
    Margaret nickte.
    »Sie hat mir erzählt, dass eine Kundgebung geplant ist.«
    Margaret nickte wieder. »In ein paar Wochen, nach Ramadan. Eine Demonstration für Toleranz. Im Stadtpark. Wir sind der weißeste Staat im ganzen Land, das wissen Sie ja wahrscheinlich.« Mit einem kleinen Seufzer winkelte Margaret die Knie an und beugte sich vor, um die Arme darumzulegen: eine natürliche, eine junge Geste, ganz unerwartet für Bob. Sie drehte den Kopf, um zu ihm herüberzuschauen. »Wie zu erwarten, hinken wir in puncto Diversität etwas hinterher.« Einen kleinen Mainer Akzent hatte sie, eine trockene Ironie in der Stimme, die er erkannte.
    »Zachary ist kein Ungeheuer«, sagte er, »aber ein bisschen verkorkst ist er schon. Ziemlich sogar. Haben Sie Kinder?«
    »Nein.«
    Eine Lesbe. Pastorin, was erwartest du. Das war Jim, der da in seinem Kopf redete. »Ich auch nicht.« Bob drückte seine Zigarette aus. »Obwohl ich gern welche gehabt hätte.«
    »Ich auch. Immer. Ich hatte sie fest eingeplant.«
    Peinlich. Jims sarkastische Stimme.
    Margaret sagte, jetzt wieder in energischerem Ton: »Susan soll nicht denken, die Demonstration wäre gegen sie oder Zachary gerichtet. Ich bin nicht ganz glücklich, dass ein paar von den Geistlichen hier das so wenig trennen, Hauptsache, es geht ›gegen‹ irgendwas. Gegen Gewalt, gegen Intoleranz, gegen die Unterdrückung religiöser Unterschiede. Nicht, dass sie nicht recht hätten. Aber zum Verurteilen haben wir die Staatsgewalt. Die Geistlichkeit sollte die Menschen aufrichten. Kein Blatt vor den Mund nehmen natürlich. Aber aufrichten. Klingt schmalzig, oder?«
    Schmalzig … »Finde ich nicht«, sagte Bob.
    Margaret Estaver stand auf. Überströmend , das war das Wort, das Bob dachte, als er zu ihrer unordentlichen

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