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Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Titel: Das Leben, natürlich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Strout
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zum Vorschein. »Nein.« Susan schüttelte den Kopf. »Kein Geld.«
    »Okay?«, fragte das Mädchen; ihre großen Augen huschten flink über Susans Gesicht.
    »Okay.« Susan hielt beide Hände in die Höhe.
    Das Mädchen schob die reparierte Brille in die Handtasche. »Okay. Okay. Danke.«
    Noch einmal kam Unruhe auf, als sie Worte in ihrer Sprache wechselten, hart und schroff in Susans Ohren. Die Babys regten sich unter dem Umhang ihrer Mutter, und die alte Frau erhob sich mühsam. Als sie zur Tür gingen, erkannte Susan, dass die alte Frau nicht alt war. Woran, das wusste sie selbst nicht, aber auf dem Gesicht der Frau lag – als sie jetzt ohne einen Blick auf Susan an ihr vorbeiging – eine tiefe Müdigkeit, die alles fortgewischt zu haben schien, was ein Gesicht lebendig macht, und nichts zurückgelassen hatte als eine tiefe gespenstische Teilnahmslosigkeit.
    Susan sah ihnen von der Ladentür nach, wie sie langsam durch das Einkaufszentrum davongingen. Nicht auslachen!, dachte sie erschrocken, als sie sah, dass zwei junge Mädchen sich nach den Frauen umdrehten. Gleichzeitig sandte die absolute Fremdheit dieser verhüllten Gestalten einen Schauder durch Susan. Sie wünschte, sie hätten nie von Shirley Falls gehört, und es machte ihr Angst, zu denken, dass sie für immer bleiben könnten.

3
    Das ist das Schöne an New York, vorausgesetzt, man kann es sich leisten: Wenn einem nicht danach ist, Essen zu kochen, Besteck zusammenzusuchen, Geschirr abzuwaschen, lässt man es ganz einfach bleiben. Und wenn man allein lebt, aber nicht allein sein will, muss man auch das nicht. Bob ging oft in die Grillbar in der Ninth Street, setzte sich dort auf einen Barhocker, trank Bier, aß einen Cheeseburger und redete mit dem Barkeeper oder einem Mann mit rotblonden Haaren, der seine Frau letztes Jahr durch einen Fahrradunfall verloren hatte, und manchmal hatte der Mann Tränen in den Augen, wenn er mit Bob sprach, oder sie lachten über etwas, oder er machte ein Handzeichen, und Bob wusste, dass er an diesem Abend in Ruhe gelassen werden wollte. Unter den Stammgästen herrschte ein stillschweigendes Einvernehmen, nur das preiszugeben, was man preisgeben wollte, und das war nicht viel. Die Gespräche drehten sich um politische Skandale oder Sportereignisse, wirklich Persönliches kam nur vereinzelt zur Sprache und dann flüchtig. So kannte Bob zwar alle Einzelheiten des bizarren Fahrradunfalls, aber nicht den Namen des rotblonden Witwers. An den Umstand, dass Bob nun schon seit Monaten ohne Sarah kam, war nicht gerührt worden. Das Lokal erfüllte seinen Zweck – es bot Sicherheit.
    Heute schien die Bar voll besetzt zu sein, aber der Barkeeper nickte in Richtung des letzten freien Hockers, und Bob zwängte sich zwischen zwei andere Gäste an den Tresen. Der Rotblonde saß weiter weg und grüßte in dem großen Spiegel, vor dem sie saßen, zu ihm herüber. Auf einem breiten Fernsehbildschirm liefen tonlos die Nachrichten, und während Bob darauf wartete, dass sein Bier gezapft wurde, schaute er hoch und zuckte zusammen, als er Gerry O’Hares Gesicht sah, breit, ausdruckslos, und daneben den Schnappschuss des grinsenden Zachary. Die Schrift am unteren Bildschirmrand lief zu schnell für Bobs Augen, aber er konnte die Wörter »hoffentlich«, »Einzeltat«, dann »offensichtlich« und »rassistischer Hintergrund« ausmachen.
    »Verrückte Welt«, sagte ein älterer Mann neben Bob, der das Gesicht auch dem Fernseher zugewandt hatte. »Alle drehen durch.«
    »He, Goofy«, rief eine Stimme, und als Bob sich umschaute, sah er Jim und Helen. Sie waren gerade zur Tür hereingekommen, und Helen nahm an einem der kleinen Tische beim Fenster Platz. Selbst in dem Schummerlicht sah Bob, wie braun sie waren. Er rutschte von seinem Hocker und ging zu ihnen.
    »Habt ihr gesehen, was gerade in den Nachrichten kam?« Er zeigte hin. »Wie geht’s euch? Seit wann seid ihr wieder da? War’s schön?«
    »Ganz herrlich, Bobby.« Helen klappte die Speisekarte auf. »Was empfiehlst du?«
    »Hier kann man alles empfehlen.«
    »Fisch, kann man dem trauen?«
    »Absolut.«
    »Ich nehme einen Burger.« Helen klappte die Karte wieder zu, schauderte leicht und rieb sich die Hände. »Seit wir wieder da sind, fröstelt mich nur noch.«
    Bob zog sich einen Stuhl heran. »Keine Angst, ich bleibe nicht.«
    »Gut so«, sagte Jim, »Das ist nämlich ein Versuch, meine Frau zum Essen auszuführen.«
    Es sah absonderlich aus, fand Bob, so braune Gesichter um

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