Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)
über Zach und seinen Vater erfahren hatten. Später nahm Jim im Wohnzimmer einen Anruf von Charlie Tibbetts entgegen, und als er in die Küche zurückkehrte und sich wieder hinsetzte, sagte er: »Alles okay. Wie man hört, bin ich gut angekommen, die Leute haben sich gefreut, mich da oben zu sehen.« Er nahm die Gabel, schob das Essen auf seinem Teller herum. »Alle sind glücklich. Wir Weißen haben gern ein reines Gewissen.« Ein Nicken in Zachs Richtung. »Deine Schwachsinnstat wird wieder zu dem Bagatelldelikt, das sie ist, ein geringfügiges Vergehen, und bis du mit Charlie vor Gericht stehst, sind Monate vergangen, er kann alle möglichen Aufschübe erwirken, das schadet nie. Kein Mensch wird die Geschichte bis dahin noch mal aufkochen wollen. Alle haben jetzt ein gutes Gefühl, und sie werden dafür sorgen, dass es so bleibt.«
Susan stieß einen Seufzer aus. »Hoffen wir’s.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Tussi von der Staatsanwaltschaft, diese Diane Dodge, noch auf Verletzung der Bürgerrechte pocht, und selbst wenn, bräuchte sie Dick Hartleys Okay, und das gibt er ihr nicht. Das war heute ganz klar. Er ist ein dicker alter Trottel, und die Leute waren glücklich, mich zu sehen, da wird er den Teufel tun und daran rühren. Ich weiß, das klingt großkotzig.«
»Ein bisschen«, sagte Bob und schenkte sich einen Kaffeebecher voll Wein.
»Ich will nicht ins Gefängnis.« Zach nuschelte die Worte.
»Musst du auch nicht.« Jim schob den Teller weg. »Hol deine Jacke, wenn du noch mal bei uns übernachten willst. Bob und ich haben morgen eine lange Fahrt vor uns.«
Im Hotelzimmer sagte Jim zu Zachary: »Wie ist es dir in der Zelle ergangen, als du auf den Kautionsbeauftragten gewartet hast?«
Zach – in Bobs Augen war er im Lauf des Wochenendes immer normaler geworden – sah Jim etwas verblüfft an. »Ergangen – na ja, dringesessen bin ich.«
»Erzähl«, sagte Jim.
»Sie war nicht viel größer als ein Kleiderschrank, die Zelle, und alles weiß und aus Eisen. Sogar mein Sitz war aus Eisen, und diese Wärter blieben immer ganz nah und haben zu mir rübergeguckt. Einmal hab ich sie gefragt, wo meine Mutter ist, und sie haben gesagt, die wartet draußen. Danach haben sie nicht mehr mit mir geredet. Ich hab’s aber auch nicht versucht.«
»Aber du hast Angst gehabt?«
Zach nickte. Er sah auch jetzt wieder verängstigt aus.
»Haben sie dir was getan? Dich bedroht?«
Zach zuckte die Achseln. »Ich hatte einfach Angst. Richtig schlimme Angst. Ich wusste ja nicht mal, dass es so was bei uns gibt.«
»Es nennt sich Gefängnis. Das gibt’s überall. War außer dir noch jemand drin?«
»Ein Mann hat andauernd Schimpfwörter gebrüllt. Wie ein Irrer. Aber sehen konnte ich ihn nicht. Die Wächter haben ihn angeschrien, er soll seine Scheißklappe halten.«
»Haben sie ihm wehgetan?«
»Keine Ahnung. Das konnte ich nicht sehen.«
»Haben sie dir wehgetan?«
»Nein.«
»Sicher nicht?« Jims Stimme hatte den gleichen grimmigen Beschützerton wie vorhin, als Bob mit ihm von der Kundgebung weggegangen war und der kleine Knilch Bob als dummen Fettsack tituliert hatte. Er las ein Staunen in Zachs Gesicht, Staunen und eine unerklärliche Sehnsucht, als er begriff: Dieser Mann würde für ihn töten. Jim, machte Bob sich klar, war der Vater, den sich jeder wünschte.
Bob stand auf und drehte eine große Runde durchs Zimmer. Was er fühlte, schien kaum auszuhalten zu sein, dabei wusste er nicht einmal genau, was es war. Nach ein paar Augenblicken blieb er stehen und sagte zu Zach: »Dein Onkel Jim ist für dich da. Auf den kannst du dich verlassen.«
Zach blickte vom einen Onkel zum anderen, dann sagte er: »Aber auf dich doch auch, Onkel Bob.«
»Ach, Zach, du bist ein Mensch. Ein richtiger Mensch.« Bob rieb dem Jungen über den Hinterkopf. »Wo ich es doch nur geschafft habe, deine Mutter auf achtzig zu bringen.«
»Mum ist schnell auf achtzig, das darfst du nicht persönlich nehmen. Jedenfalls, wie die mich aus dieser Zelle rausgelassen haben, und da standest du mit Mum, also, ich war so was von glücklich. Wieso ein Mensch?«
»Na, eine gute Seele eben.«
Jim sagte: »So was von glücklich über Bob, dass du am nächsten Tag von allen Titelseiten gegrinst hast.«
»Himmel, Jim, das ist Schnee von gestern.«
»Können wir fernsehen?«, fragte Zach.
Jim warf ihm die Fernbedienung hin. »Du wirst dir einen Job besorgen müssen. Denk ruhig schon mal drüber nach, was für einen. Und
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