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Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Titel: Das Leben, natürlich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Strout
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dann belegst du ein paar Kurse, studierst fleißig, schneidest gut ab und schreibst dich hier an der Abendschule ein. Such dir ein Ziel. So machen normale Leute das. Du bist Teil der Gesellschaft, also gibst du ihr gefälligst was zurück.«
    Zach senkte den Blick, und Bob sagte: »Für die Jobsuche ist immer noch Zeit, jetzt entspannst du dich erst mal. Das hier ist ein Hotel. Tu so, als hättest du Ferien. Stell dir vor, das da draußen ist ein Strand und kein stinkender Fluss.«
    »Der Fluss stinkt nicht mehr, Spasti.« Jim hängte seine Jacke auf. »Den haben sie gereinigt. Hast du gar nicht gemerkt, was? Du lebst noch in den Siebzigern. Himmel.«
    »Wenn du so auf dem Laufenden wärst«, antwortete Bob, »dann wüsstest du, dass man heutzutage nicht mehr von Spastikern spricht. Susan hat das Wort auch gebraucht, als ich das erste Mal hier oben war. Mann. Manchmal denke ich, ich bin der Einzige von uns, der nach der Grundschule den Weg ins 21. Jahrhundert gefunden hat.«
    »Leck mich doch!«, sagte Jim.
    Zach schlief beim Fernsehen ein, und sein leises Schnarchen klang durch die offene Tür herüber zu Jim und Bob, die jetzt im anderen Zimmer jeder auf einem Bett saßen. »Lassen wir Susan erst mal die Erleichterung, dass das heute gut über die Bühne gegangen ist. Über die Motive ihres Sohns können wir sie auch später aufklären. Ich hab es Charlie Tibbetts erzählt, und für den spielt es sowieso keine Rolle, Charlie fährt die Strategie, dass Zach kein Verbrechen begangen hat«, sagte Jim. »Laut Gesetz hätte er dazu wissen müssen, dass der Raum eine Moschee ist und dass Muslime an Schweinefleisch Anstoß nehmen.«
    »Meinst du, das funktioniert? Wenn Zach nicht wusste, dass Muslime an Schweinefleisch Anstoß nehmen, warum hat er dann keinen Hühnerkopf genommen?«
    »Und genau darum bist du nicht sein Strafverteidiger. Oder irgendjemands Strafverteidiger.« Jim stand auf, deponierte Schlüssel und Handy auf der Kommode. »Als er diesen Freund in dem Schlachthaus besucht hat, lagen da eben nur Schweineköpfe herum und keine Hühnerköpfe. Andere Köpfe gab es da nicht. Überlass bitte Charlie den Job. Mein Gott, Bob. Du machst mich krank. Kein Wunder, dass du dir vor jeder Verhandlung in die Hosen geschissen hast. Das Berufungsgericht ist der einzig passende Ort für dich. Da lassen sie dich in Ruhe deinen Babybrei verdauen.«
    Bob lehnte sich zurück, hielt nach der Weinflasche Ausschau. »Was ist dein Problem?«, fragte er mit leiser Stimme. »Du warst so gut heute.« Es war noch ein Rest Wein in der Flasche, und er schenkte ihn sich ins Glas.
    »Mein Problem bist du. Du bist mein Problem. Warum überlässt du die Sache nicht einfach Charlie Tibbetts?«, erwiderte Jim. » Ich hab ihn geholt, verstehst du? Nicht du. Also halt dich da raus.«
    »Ich sag ja gar nicht, dass er nicht gut ist. Ich wollte nur seinen Ansatz verstehen.« Das Schweigen im Raum fühlte sich einen Moment lang so straff und lebendig an, dass Bob sich nicht traute, es durch einen Schluck aus seinem Glas zu stören.
    »Ich will hier nicht noch mal hochfahren müssen«, tat Jim schließlich kund. Er setzte sich wieder aufs Bett, starrte auf den Teppich.
    »Dann lass es bleiben.« Jetzt trank Bob, und nach einem Augenblick fügte er hinzu: »Weißt du, vor einer Stunde war ich noch platt vor Bewunderung. Aber du bist so was von schwierig, Mann. Als ich mich neulich mit Pam getroffen hab, hat sie sich gefragt, ob der Packer-Prozess so ein Arschloch aus dir gemacht hat oder ob du schon immer eins gewesen bist.«
    Jim blickte auf. »Pam hat sich das gefragt?« Seine Lippen formten ein schmales Lächeln. »Pamela. Die Ruhelosen und die Reichen.« Plötzlich grinste er Bob an, die Ellenbogen auf die Knie gelegt, die Hände herunterhängend. »Ist es nicht seltsam, was das Leben aus den Menschen macht? Es wäre mir nicht eingefallen, dass aus Pam mal eine wird, die immer genau das haben will, was sie nicht hat. Aber im Grunde genommen war sie von Anfang an so. Man sagt ja, jeder Mensch gibt sein wahres Ich zu erkennen. Und ich glaube, sie hat es zu erkennen gegeben. Ihre eigene Kindheit hat ihr nicht gepasst, also hat sie deine genommen. Dann ist sie nach New York gekommen und hat gesehen, dass die Leute Kinder haben, also hat sie sich auch welche zugelegt, und wo sie schon mal dabei war, hat sie sich auch noch Geld beschafft, denn ohne kommt man nicht weit in New York.«
    Bob schüttelte langsam den Kopf. »Ich weiß nicht, wovon du redest.

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