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Das Leben und das Schreiben

Das Leben und das Schreiben

Titel: Das Leben und das Schreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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erzählen Sie mir, wie es geklappt hat. Ich kann nicht versprechen, jedem zu antworten, aber ich kann versprechen, wenigstens einige Ihrer Abenteuer mit großem Interesse zu lesen. Ich bin neugierig, was für ein Fossil Sie ausgraben und wie viel Sie von ihm intakt aus dem Erdboden bergen können.

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    Die Beschreibung lässt den Leser mit allen Sinnen an der Geschichte teilhaben. Gekonnte Beschreibung ist erlernbar, einer der Hauptgründe, warum Sie nur dann erfolgreich sein können, wenn Sie viel lesen und schreiben. Und dabei geht es nicht einfach nur um das Wie, sondern auch um das Wieviel . Letzteres lernen Sie beim Lesen, aber nur Unmengen eigenhändig beschriebener Seiten helfen Ihnen beim Wie. Schreiben können Sie nur lernen, wenn Sie es tun.
    Beschreibung fängt damit an, dass Sie sich bildlich vorstellen, was der Leser erfahren soll, und hört damit auf, dass Sie das, was Sie vor Ihrem inneren Auge haben, in Worte fassen. Das ist alles andere als einfach. Wir haben schon oft gehört, dass jemand sagte: »Mann, das war so klasse (oder furchtbar/seltsam/lustig) … das kann ich nicht beschreiben!« Wenn Sie ein erfolgreicher Schriftsteller werden wollen, müssen Sie es beschreiben können, und zwar so, dass es einen hohen Wiedererkennungswert für den Leser besitzt. Wenn Sie das können, wird man Sie für Ihre Mühen bezahlen, und Sie haben es verdient. Wenn Sie das nicht können, werden Sie eine Menge Absagen sammeln und vielleicht eine Karriere in der faszinierenden Welt des Telemarketings angehen.
    Schwache Schilderungen hinterlassen beim Leser ein konfuses Gefühl und unscharfes Bild. Zu viel Beschreibung hingegen erschlägt ihn oder sie mit Details und Bildern. Der Trick ist, die Goldene Mitte zu finden. Während Sie Ihren Hauptjob erledigen, das Erzählen einer Geschichte, ist es wichtig zu wissen, was beschrieben und was fortgelassen werden kann.
    Mir gefallen Beschreibungen nicht besonders, die bis zur Erschöpfung die körperlichen Eigenheiten und die Kleidung ihrer Figuren schildern (gerade minutiös beschriebene Garderobe finde ich äußerst ärgerlich; wenn ich Beschreibungen von Kleidung lesen möchte, kann ich mir einen Katalog von J. Crew besorgen). Ich kann mich nicht an viele Fälle erinnern, in denen ich meinte, ausführen zu müssen, wie die Menschen in meiner Erzählung aussahen; lieber überlasse ich dem Leser die Konkretisierung von Gesicht, Körperbau und Kleidung. Wenn ich Ihnen sage, dass Carrie White eine Außenseiterin auf der Highschool ist, unreine Haut hat und unmodische Kleidung trägt, können Sie sich den Rest bestimmt vorstellen, nicht wahr? Ich muss Ihnen nicht jeden einzelnen Pickel und jedes Kleid beschreiben. Wir können uns wohl alle an den einen oder anderen Außenseiter in der Schule erinnern. Wenn ich meine Erinnerung zu ausführlich wiedergebe, wird Ihre Erfahrung überblendet, und die Bindung, die ich zwischen uns schmieden will, wird ein klein wenig schwächer. Beschreibung beginnt in der Fantasie des Autors, sollte jedoch in der des Lesers enden. Wenn wir das einmal konsequent zu Ende denken, hat es der Schriftsteller viel leichter als der Regisseur, der fast immer gezwungen ist, zu viel zu zeigen (darunter in neun von zehn Fällen den Reißverschluss auf dem Rücken des Monsters).
    Viel wichtiger als die äußerliche Beschreibung der Figuren sind meiner Meinung nach Schauplatz und Struktur, um den Leser in die Geschichte hinein zuziehen. Und ich glaube auch nicht, dass man die Abkürzung nehmen und durch die äußerliche Beschreibung einer Figur deren Charakter darstellen sollte. Ersparen Sie mir also bitte die hochintelligenten blauen Augen und das entschlossen vorgestreckte Kinn des Helden; ebenso die arroganten Wangenknochen der Heldin. Das ist schlechte Technik und Faulheit, nichts anderes als diese ermüdenden Adverbien.
    Eine gute Beschreibung besteht für mich aus einigen geschickt gewählten Beobachtungen, die einen Eindruck vom Ganzen vermitteln. In den meisten Fällen sind diese Details das, was einem als Erstes in den Sinn kommt. Für den Anfang reichen sie gewiss. Sollen sie später noch verändert, ergänzt oder gestrichen werden, tun Sie das – dafür ist das Überarbeiten ja da. Aber ich glaube, Sie werden bald merken, dass die zuerst vor Ihrem geistigen Auge aufgetauchten Einzelheiten auch die zutreffendsten und die besten sind. Sie sollten nicht vergessen, dass es ebenso leicht ist, zu ausführlich als auch zu wenig zu beschreiben. (Davon

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