Das Leben und das Schreiben

thematischen Anliegen verfügt, auch wenn er mehr als vierzig Bücher geschrieben hat. Ich habe viele Interessen, aber nur wenige sind so tief greifend, dass sie einen Roman tragen können. Zu meinen tief greifenden Anliegen (Zwangsvorstellungen möchte ich sie nicht unbedingt nennen) gehören: die Schwierigkeit – wenn nicht gar Unmöglichkeit -, die Technologiekiste der Pandora wieder zu schließen, wenn sie einmal geöffnet wurde ( Das letzte Gefecht, Das Monstrum – Tommyknockers, Feuerkind [Originaltitel: Firestarter ]); die Frage, warum Gott, wenn es ihn gibt, furchtbare Dinge geschehen lässt (Das letzte Gefecht, Desperation, The Green Mile) ; der schmale Grat zwischen Realität und Fantasie (Stark – The Dark Half [Originaltitel: The Dark Half ] , Sara, Drei [Originaltitel: The Drawing of the Three ]); und schließlich vor allem die furchtbare Anziehungskraft, die Gewalt auf im Grunde gutmütige Menschen manchmal ausüben kann (Shining ] , Stark – The Dark Half) . Ebenso habe ich immer wieder über die grundlegenden Unterschiede zwischen Kindern und Erwachsenen sowie über die heilende Kraft der menschlichen Fantasie geschrieben.
    Und ich wiederhole: Das ist keine große Sache . Das sind Anliegen, die sich aus meinem Leben und Denken entwickelt haben, aus meinen Erfahrungen als Junge und Mann, aus meiner Rolle als Ehemann, Vater, Schriftsteller und Liebender. Diese Fragen beschäftigen mich, wenn ich abends das Licht ausknipse und mit mir allein bin, eine Hand unter das Kopfkissen schiebe und in die Dunkelheit starre.
    Sie werden Ihre eigenen Gedanken, Interessen und Anliegen haben, die sich, wie bei mir, aus den von Ihnen gemachten Erfahrungen und Abenteuern als menschliches Wesen ergeben haben. Einige werden denen ähneln, die ich gerade angeführt habe, einige werden sich stark davon unterscheiden, aber Sie verfügen darüber, und das sollten Sie in Ihre Arbeit einfließen lassen. Solche Anliegen sind vielleicht nicht nur dazu da, um darüber zu schreiben, aber ganz gewiss ist das Schreiben eines der Dinge, wozu sie gut sind.
    Ich möchte diese kleine Predigt mit einem mahnenden Wort beschließen: Von der Thematik und der eigenen Botschaft auszugehen, ist kein gutes Rezept fürs Schreiben. Gute Prosa beginnt immer mit der Geschichte und entwickelt daraus die Thematik. Fast nie ist die Thematik Ausgangspunkt, um daraus eine Geschichte zu entwickeln. Die einzige mögliche Ausnahme von dieser Regel, die ich mir vorstellen kann, sind Allegorien wie Farm der Tiere (Originaltitel: Animal Farm ) von George Orwell (und auch da habe ich den leisen Verdacht, dass die Idee zur Geschichte zuerst da gewesen ist; wenn ich Orwell in einem späteren Leben sehe, werde ich ihn fragen).
    Wenn Ihr Werk im Groben aufs Papier gebracht ist, müssen Sie sich Gedanken über seine tiefer gehende Bedeutung machen und Ihre Schlussfolgerungen in die folgenden Fassungen einfließen lassen. Das zu unterlassen, hieße, Ihrem Buch (und letztlich dem Leser) die Vision zu rauben, die jede Ihrer Erzählungen zu etwas Unverwechselbarem macht.

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    So weit, so gut. Jetzt wollen wir über das Überarbeiten sprechen: Wie viel ist angebracht, wie viele Fassungen? Für mich lautet die Antwort seit jeher: zwei Fassungen und ein Feinschliff (seit dem Aufkommen der Textverarbeitung ist der Feinschliff bei mir fast zu einer dritten Fassung geworden).
    Ihnen sollte klar sein, dass ich nur von meiner eigenen Vorgehensweise berichte; tatsächlich unterscheidet sich das Überarbeiten enorm von einem Autor zum anderen. Kurt Vonnegut zum Beispiel überarbeitete jede einzelne Seite seiner Romane so lange, bis sie genau so war, wie er sie haben wollte. Dabei gab es natürlich Tage, an denen er nur ein oder zwei Seiten fertigen Text schaffte (und der Papierkorb füllte sich mit den zerknüllten verworfenen Versionen von Seite 71 und 72), aber wenn er das Manuskript abschloss, war auch das Buch fix und fertig. Man konnte es direkt in Druck geben. Allerdings glaube ich schon, dass gewisse Dinge auf die meisten Autoren zutreffen, und darüber möchte ich nun sprechen. Wenn Sie schon etwas länger im Metier sind, werden Sie meine Hilfe hier nicht unbedingt benötigen, da sich bei Ihnen schon ein Arbeitsablauf entwickelt hat. Wenn Sie jedoch gerade anfangen, möchte ich Ihnen nahelegen, dass Sie mindestens zwei Fassungen eines Textes schreiben: eine, bei der die Tür zum Arbeitszimmer geschlossen ist, und eine, bei der die Tür geöffnet ist.
    Wenn ich bei