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Das Leben Zimmer 18 und du

Das Leben Zimmer 18 und du

Titel: Das Leben Zimmer 18 und du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Salchow
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beschleunige.
    Ja. Das erste Mal. Und das erste Mal aus einem so schönen Grund.
    Und tatsächlich. Meinem nicht vorhandenen Orientierungssinn zum Trotz erreiche ich nach wenigen Minuten endlich den Haupteingang und trete durch die gläserne Schiebetür nach draußen.
    Suchend schaue ich mich um, während ich den obersten Knopf meines Mantels schließe und meine Mütze über die Ohren ziehe.
    In der Wendeschleife vor dem Eingang sehe ich ihn schließlich stehen, mit brauner Lederjacke und hellgrauer Mütze, neben ihm ein großer zotteliger Hund, der von weitem unbestreitbare Ähnlichkeit mit ALF hat.
    „Da bin ich endlich!“, rufe ich ihm zu, während ich freudestrahlend auf ihn zukomme.
    Max wedelt mit dem Schwanz und lässt sich von mir begrüßen, folgt aber schon im nächsten Augenblick der Leine seines Herrchens, als Bastian und ich uns auf dem Bürgersteig in Richtung Wohngebiet bewegen.
    Wie selbstverständlich gehen wir nebeneinander her, als hätten wir dies schon Tausende Male zuvor getan. Eine Weile lang schweigen wir. Nicht weil niemandem etwas einfällt, vielmehr ist es die Tatsache, dass diese Begegnung so vertraut, so normal scheint, dass es keine erklärenden Worte braucht.
    „Ich bin froh, endlich mal etwas anderes zu sehen als immer nur die Klinikwände“, sage ich schließlich.
    „Ich bin auch froh, dass ich nicht mehr hier bin“, antwortet er. „Zu Hause ist es dann doch entspannter.“
    „Bei deinen Wölfen.“
    „Ganz genau.“ Er lächelt mir von der Seite zu.
    „Er ist ja ein ganz Süßer.“ Ich fahre Max mit den Fingern durchs Fell. „Dein Ältester?“
    „Nein, Mary ist noch ein bisschen älter. Anton ist der Sohn von Max und Mary.“
    „Verstehe.“
    Während wir uns nebeneinander von der Klinik entfernen und das angrenzende Wohngebiet ansteuern, spüre ich, wie sich meine Nervosität mit jedem Schritt weiter auflöst.
    Er ist hier. Er ist wirklich hier. Und so normal seine Gegenwart auch zu sein scheint, so faszinierend ist doch die Tatsache, dass er nur wegen mir gekommen ist.
    „Die Sonntage sind am schlimmsten.“ Ich starre über den Rasen zwischen zwei aschgrauen Wohnblöcken ins Leere. „Die wenigen Patienten, die am Wochenende auf der Station sind, dümpeln strickend oder lesend vor sich hin. Und irgendwie scheint der Tag ein einziges Warten auf die nächste Mahlzeit zu sein.“
    „Ich weiß genau, was du meinst.“ Er sucht meinen Blick. „Auf meiner Station war es genauso. Ich war für jede Minute dankbar, die ich abzweigen konnte, um oben Sport zu machen. Nur ich und die Geräte.“
    „Ich hab dich manchmal hochgehen sehen.“
    „Ich weiß.“ Er grinst und für einen Moment fühle ich mich ertappt. Ob ihm klar ist, dass ich am Ende meistens wegen ihm neben dem Automaten gesessen habe?
    Max schnuppert schwanzwedelnd an einem Busch am Straßenrand, als Bastian plötzlich wortlos stehenbleibt.
    „Alles in Ordnung?“, frage ich irritiert.
    „Na ja“, beginnt er nach einem kurzen Zögern. „Irgendwie ist das doch komisch, oder?“
    „Was meinst du?“
    „Na ja. Dass ich dich hier besuche. Dass wir hier spazieren gehen, obwohl …“
    „Obwohl was?“
    „Obwohl du verheiratet bist.“
    Ich senke den Blick, während ich nach den richtigen Worten suche.
    „Weißt du, um ehrlich zu sein“, fährt er fort, bevor ich etwas sagen kann, „ist genau diese Tatsache auch der Grund, warum ich dich nicht nach deiner Nummer gefragt habe, als ich noch im Krankenhaus war.“
    „Mein Mann?“
    Er nickt. „Ich wollte dir nicht zu nahetreten. Ich wusste ja nicht, wie du darüber denkst, wenn ein eigentlich Fremder Kontakt zu dir sucht, aber ich fand einfach ...“
    Ich hebe die Hand, was ihn unweigerlich zum Schweigen bringt.
    „Du musst mir nichts erklären“, unterbreche ich ihn lächelnd. „Ich weiß genau, was du meinst. Und ja, auf den ersten Blick ist es ja auch etwas seltsam. Genau deshalb habe ich dich ja auch nicht nach deiner Nummer gefragt, als du noch in der Klinik warst. Andererseits …“, ich halte für einen Moment inne, „ist es irgendwie auch das Normalste der Welt, wenn zwei Menschen, die sich voneinander verstanden fühlen, den Kontakt zueinander suchen. Oder findest du nicht?“
    „Eigentlich schon. Genau deshalb habe ich mich ja auch gefreut, als du dich gemeldet hast. Ich will nur nicht, dass du wegen mir irgendwelchen Besuchern absagst, die du vielleicht stattdessen heute empfangen hättest.“
    „Blödsinn.“ Ich schaue zu Max herunter,

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