Das Leben Zimmer 18 und du
Geschichten von ihm. Geschichten von mir. Ausgesprochene. Unausgesprochene. Und doch verstehe ich alles. Jede Geste, jedes Gefühl. Fast kommt es mir so vor, als wüsste ich schon vorher, was er mir erzählen will. Er überrascht und bestätigt zugleich. Alles und gleichzeitig nichts scheint vorhersehbar in seiner Gegenwart.
„Ich hoffe nur, dass du nicht krank wirst“, sage ich, als wir zurück aufs Klinikgelände kommen.
„Ja.“ Sein Lächeln trifft mich bis ins Mark. „Das hoffe ich auch.“
*
17. März 2013, 17.10 Uhr
Nancy Salchow:
Hallo Bastian,
eigentlich wollte ich dich nach meiner letzten langen Facebook-Nachricht nicht schon wieder mit so einer langen Nachricht zumüllen - ich weiß ja, Männer fassen sich da lieber kurz. Aber mir fällt es irgendwie immer schwer, das Kurzfassen. Und ich wollte noch etwas zu dem schlimmen Tag loswerden, der dir nächste Woche bevorsteht.
Was ich vorher noch sagen wollte: Ich hatte heute irgendwie den Eindruck, als hätte ich nur herumgejammert und den Kontakt zu dir auch nur gesucht, um rumjammern zu können. So ist es nicht, ich hatte mich eigentlich bei dir gemeldet, weil ich den Eindruck hatte, dass wir beide irgendwo doch ähnlich ticken und es schade fand, dass wir uns aus den Augen verlieren. Denn auch wenn es heute nicht so schien, eigentlich bin ich sehr optimistisch und nicht so ein Jammerlappen. Was ich allerdings gerade umso glücklicher feststelle: Nach unserem Spaziergang heute habe ich mich wieder so richtig schön normal gefühlt, als wäre ich gar nicht krank. Dieses Gefühl gefällt mir. Und das habe ich wohl dir (und vielleicht auch Max ;-)) zu verdanken. Also: DANKE!
Was ich noch zu dem schweren Tag (24. März) sagen wollte, der dir bevorsteht: Der Todestag meines Bruders, der mir auch sehr nahe stand, ist am 21. Januar 2012. Als sich dieser Tag dieses Jahr zum ersten Mal jährte, waren wir auch essen und vorher auf dem Friedhof, aber ich habe auch gemerkt, dass der Tag eigentlich in Gesellschaft doch noch ein erträglicher Tag war. So wird es vielleicht auch bei dir sein.
Ich trage die Erinnerung an Martin immer bei mir und werde manchmal davon gepackt, wenn ich es am wenigsten erwarte. Dann tut es oft noch sehr weh. Aber gerade dieser besondere Tag, der dir jetzt bevorsteht, also der Todestag deiner Frau, kann vielleicht auch ein guter Anlass für dich sein, stolz auf das zu sein, was du alles erreicht hast. Du hast trotz allem die Stärke besessen, zu deinen Gefühlen zu stehen, warst sogar in der Lage, die Ärzte davon zu überzeugen, dass du kein Alkoholiker bist, sondern eben ein Depressionsproblem hast. Ich glaube, das erfordert sehr viel Stärke! Und Schwächen zuzugeben, ist im Grunde eine Stärke - absolut! Und du bist bei diesem Eingeständnis und der Fähigkeit, über deine Gefühle zu reden, sicher auch dir selbst sehr viel näher gekommen. All das solltest du dir vor Augen halten, wenn es dir an diesem Tag nicht so gut gehen sollte. Du bist ein starker Mann, eben WEIL du auch dazu stehst, mal schwach zu sein. Das finde ich beeindruckend. Aber das weißt du sicher auch selbst. Ich wünsch dir alles Gute für diesen Tag, aber drücke dir auch die Daumen, dass du es schaffst, selbst an diesem Tag ein klein wenig Freude zu empfinden. Für all das, was du trotz deines Verlustes erreicht hast - und dass du nun auch mit deiner Ärztin, deinem Verein und deinem Chef alles klären konntest. Dass du eben in dir selbst Ruhe finden konntest und dir keinen Kopf über die Meinung anderer machen musst.
So, das wollte ich noch mal loswerden. Falls dir etwas auf der Seele brennt oder du nicht allein sein willst, klingele einfach an und solltest du am 24. doch allein sein, z.B. abends, ich hab auch ein offenes Ohr, so wie du eines für mich hattest, egal ob ich nun hier bin oder schon wieder zu Hause.
Danke für deinen Besuch und deine Zeit heute. Ich fühle mich seitdem viel besser.
Viele Grüße
Nancy
18. März 2013, 10.40 Uhr
Bastian Engermann:
das reden mit dir tat mir auch sehr gut und keine angst du heulst dich nicht bei mir aus denn wenn es dir guttut dann hilfst du mir auch also immer reden ok und ich melde mich versprochen nur meine grippe wird etwas schlimmer
Männer! Man schreibt sich die Seele aus dem Leib, offenbart jeden noch so abstrusen Gedanken und was bekommt man? Eine Antwort in der Länge eines Einkaufszettels.
Die Gedanken an seine unverschämt kurze Nachricht belagern meinen müden Kopf, während ich einen
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