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Das Leben Zimmer 18 und du

Das Leben Zimmer 18 und du

Titel: Das Leben Zimmer 18 und du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Salchow
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müssen sich Menschen fühlen, die in so schwierigen Situationen mit sich alleine sind und niemanden haben. Sogar mein Ältester, der mit Sentimentalität so gar nichts am Hut hat, sprach es gestern aus: „Am schlimmsten ist es, wenn du in so einer Situation ganz allein bist!“
    Meine Tochter, deren Bindung zu ihrem kranken Zwillingsbruder besonders eng ist, sitzt so voller Ängste, die immer wieder aus ihr herausbrechen. „Wie soll ich ohne ihn leben können? Bei Zwillingen ist es nun mal so, dass es bedeutet, das von einem die andere Hälfte fehlt! Wie amputierte Gliedmaßen!“
    Ich selbst lasse einfach keine Ängste zu. Unheimlich, dass ich nicht weinen kann. Will ich mir damit sagen, wenn ich weine, gebe ich ihn auf? Ich denke mal, das Weinen wird in einem unerwarteten Moment kommen. Und dann wie ein Sturzbach, der nicht zu zügeln ist, aus mir herausbrechen.

    Montag, 9. August 2010
    Heute hatte ich das erste Mal einen Anruf von meinem Sohn aus der Klinik. Und er klang sehr munter und zuversichtlich. Der Arzt wäre sehr zufrieden mit ihm. Verlegt wird er allerdings erst am Donnerstag in die Strahlenklinik. Na, er will es sich gut gehen lassen bis dahin und sich tüchtig Speck anfuttern (oh, oh, eigentlich ist er „speckig“ genug, aber ein paar Polster für die bevorstehende Prozedur sind gewiss nicht verkehrt.)
    Allerdings gab es heute auch Schimpfe von den Schwestern. Er solle nicht übertreiben mit dem Gehen. Hat er nicht die arme „Eva“ in der Ecke stehen lassen und ist ohne sie losgetigert? Na, die wird sauer gewesen sein und ihn verpetzt haben! Bis am Klinikausgang war er ohne Gehhilfe und er meinte, es ging sehr gut. Ich befürchte nur, sein Kreislauf könnte eventuell mal versagen und dann liegt er da.
    Für solche Fälle tragen die Patienten – wie sonst die Säuglinge – Armbänder mit Namen, Diagnose und wo sie untergebracht sind. Tolle Sache.
    Die Mädels (seine Freundin und seine Schwester) waren heute wieder bei ihm. Er hat sie dann in der Cafeteria ausgehalten. Der kleine Geizhals. Hätte er längst mal machen können. Muss richtig schmunzeln, da ist er wohl mächtig über seinen Schatten gesprungen.

    Mittwoch, 11. August 2010
    Hatte mich spontan entschlossen, ihm in Plau noch einen Besuch abzustatten, weil er doch erst morgen nach Rostock verlegt wurde. Ganz schöner Stress! Erst bis 14.00 Uhr arbeiten, dann meine Schwester vom anderen Ende der Welt abgeholt, Tochter meldete sich noch über Handy, dass sie auch mit will und so ging‘s los: 90 km hin, 90 zurück.
    Martin kam uns schon entgegen als wir aus dem Fahrstuhl stiegen. „Freihändig“, die „Eva“ stand zur Sicherheit aber bei Fuß. Prima, wie schön das Laufen klappt. Und auch die Hand und der Arm funktionieren wieder einwandfrei. Er ist so stolz und ist felsenfest davon überzeugt, dass es jetzt nur noch aufwärts geht. Obwohl ich an Optimismus kaum zu überbieten bin, weiß ich, dass er viele Rückschläge einstecken werden muss. Aber soll ich ihm das alles so direkt sagen? Warum sollte ich? Wem ist damit geholfen? Soll er doch einfach nur für heute leben, wer weiß denn schon, was der nächste Tag bringt.
    Allerdings habe ich mich auch über ihn aufgeregt. Dass er der größte Geizhals unter der Sonne ist, erwähnte ich ja schon. Er hat ein Handy, was sehr preiswert – um nicht zu sagen, unverschämt billig war – 5 Euro! So eines hatte er mir vor Jahren auch besorgt. Allerdings habe ich es beizeiten wieder entsorgt, weil das Gerät dermaßen gestrahlt hat, dass meine Geldkarte ewig entwertet war. Bis ich die Ursache überhaupt entdeckte, dauerte es. Und nun frage ich mich – ich denke, sicherlich nicht unberechtigt -, wenn man dieses Ding jahrelang am Ohr hat und das Handy dermaßen strahlt, KANN – muss aber nicht – doch hier auch ein Grund für seine Tumore liegen. Habe ihm dann ein anderes mitgebracht. Er wollte das neue Handy aber nicht, er hinge so an seinem alten! Da kann man nur den Kopf schütteln, ich will doch einfach nur jeden Verursacher ausschalten. Richtig laut wurde er und ich natürlich auch. Vielleicht sollte ich ihm den Ernst der Lage viel deutlicher klarmachen. Ich war echt wütend, wollte da vor allen Leuten allerdings auch kein Fass aufmachen. Hoffe nun, dass ich die nächsten Tage die Gelegenheit habe, ihn mir nochmals vorzuknöpfen.
    Ansonsten war es ein schöner Abend. Anstrengend, weil doch immer eine weite Fahrt, aber lustig und humorvoll. Übrigens machten wir ihm den Vorschlag, er

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