Das lebendige Theorem (German Edition)

ich am idealen Ort sein, um mich zu konzentrieren, auf den Spuren großer Vorgänger.
    Außerdem werde ich in der Von-Neumann-Straße wohnen!
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    Als es 1929 zum Börsencrash kommt, können sich die Bambergers glücklich schätzen. Sie haben mit ihrem Warenhaus in New Jersey ein Vermögen gemacht und dann ihr Unternehmen sechs Wochen vor dem Zusammenbruch weiterverkauft. In einer zerfallenen Wirtschaft sind sie reich, sehr reich.
    Reichtum hat keinen Wert, wenn man sein Geld nicht einsetzt; nun wollen sie einem edlen Zweck dienen, sie träumen davon, die Gesellschaft zu verändern. Sie denken an eine Hochschule für Zahnmedizin, aber man überzeugt sie davon, dass die wirkungsvollste Verwendung ihres Geldes darin bestehen würde, ein neues Institut für theoretische Wissenschaften zu gründen. Die Theorie ist nicht so teuer, und mit dem, was sie haben, können sie jedenfalls das beste Institut der Welt gründen, ein Institut, das über die Meere und Ozeane ausstrahlen kann!
    Und außerdem stimmen in der Mathematik und der theoretischen Physik die Experten, auch wenn sie nicht in allen Punkten derselben Meinung sind, doch darin überein, wer die Besten sind. Und wenn die Besten ermittelt wurden, kann man sie kommen lassen!
    Also nimmt man die Besten für das neue Bamberger-Institut. Nach jahrelangen Verhandlungen nehmen sie einen nach dem anderen auf. Einstein. Gödel. Weyl. Von Neumann. Und andere noch … Das Klima in Europa wird für die jüdischen Forscher und ihre Freunde unerträglich, was dazu beiträgt, dass sich das Gravitationszentrum der weltweiten Wissenschaft von Deutschland zu den Vereinigten Staaten verschiebt. 1931 konkretisiert sich der Bamberger’sche Traum: die Einweihung des Institute for Advanced Study, das Institut für fortgeschrittene Forschungen, direkt neben der angesehenen und fast zweihundert Jahre alten Universität von Princeton (die selbst von einer anderen Familie reicher Mäzene unterstützt wird, den legendären Rockefellers). Am IAS erhalten die ständigen Forscher ein mehr als komfortables Gehalt und haben keinerlei Verpflichtung, zu unterrichten.
    Das Institut hat sich entwickelt: Heute findet man in der Abteilung für Naturwissenschaften nicht nur die theoretische Physik in all ihren Formen (Astrophysik, Teilchenphysik, Quantenmechanik, Stringtheorie …), sondern auch die theoretische Biologie. Eine Abteilung für Sozialwissenschaften und eine Abteilung für Geschichte sind hinzugekommen. Mit immer derselben Tradition von Exzellenz.
    In diesem Tempel des Wissens gehen die Mathematiker auf und ab, erzählen von ihren neuesten Funden und versuchen, die Aufmerksamkeit der Größten auf sich zu lenken. Diejenigen, die gebeten werden, für einige Monate oder Jahre zu bleiben, müssen hier nur an eines denken, und dafür werden sie bezahlt: die besten Theoreme der Welt hervorzubringen unter dem schelmischen Blick Einsteins, der überall gegenwärtig ist, in Form von Bronze, in Form von Fotografien, in Form von Gemälden.
    Und es wird an alles gedacht, damit die Mathematiker sich um nichts anderes als um die Mathematik zu kümmern brauchen. Wenn Sie mit Ihrer Familie kommen, wird man Ihre Kinder für Sie lange zuvor in der Schule anmelden. Eine Armee von Sekretären kümmert sich um Ihre materiellen Bedürfnisse. Eine Wohnung, die ein paar Minuten vom Institut entfernt ist, wird für sie reserviert. Die ausgezeichnete Kantine befreit Sie davon, nach einem Restaurant zu suchen, und der Wald bietet sich für Ihre Spaziergänge an. Kaum dringen Sie in die altehrwürdige Mathematikbibliothek vor, stürzt schon eine Mitarbeiterin heran, um Ihnen das Buch finden zu helfen, das Sie suchen, oder um Ihnen das System von Karteikarten zu erklären, das genauso altmodisch wie effizient ist. Alles scheint Ihnen zu sagen: Hör mal, kleiner Junge, hier hast du alles, was du brauchst, also vergiss all deine Sorgen, denk’ nur an die Mathematik, Mathematik, Mathematik.
    Wenn Sie im Sommer am Institut vorbeikommen, besuchen Sie die Bibliothek der Humanwissenschaften auf der anderen Seite des Sees von der Abteilung für Mathematik aus gesehen – in der Nacht ist sie menschenleer –, und Sie werden sich für einen Forscher halten, der eine Höhle voller Schätze aus einer anderen Zeit entdeckt, alte Sammlungen von Landkarten, die einen Meter und größer sind, riesige Wörterbücher und schwere Enzyklopädien.
    Wenn Sie dann aus der Bibliothek heraustreten, setzen Sie sich auf die Bank ganz in der