Das lebendige Theorem (German Edition)
Australien und in Kalifornien, also ist die Tatsache, dass sich das Taxi mitten in der Nacht mitten im Wald von New Jersey verfahren hat, nichts Beunruhigendes. Er weiß, dass alles schon wieder gut werden wird.
Wir irren umher, wir stoßen wieder auf ein bisschen Zivilisation und auf einen Menschen an einer Bushaltestelle, der uns Auskunft geben kann. Das GPS ist nicht der Alleininhaber topographischer Wahrheit.
Schließlich zeigt sich uns das Institute for Advanced Study – IAS für die Eingeweihten. So imposant, mitten in einer schönen, bewaldeten Umgebung, ähnelt es ein bisschen einem Schloss. Um dorthin zu kommen, mussten wir um das große Golfgelände herumfahren.
Hier hat Einstein die letzten zwanzig Jahre seines Lebens verbracht. Gewiss war er zu jener Zeit nicht mehr der junge, schneidige Mann von 1905, der die Physik revolutionierte. Dennoch hat er durch seine Gegenwart diesem Ort mehr als jeder andere seinen Stempel aufgedrückt. Und sonst waren hier ja auch John von Neumann, Kurt Gödel, Hermann Weyl, Robert Oppenheimer, Ernst Kantorowicz, John Nash, alle diese großen Denker, deren Name allein schon eine Gänsehaut verursacht.
Im Moment sind es Jean Bourgain, Enrico Bombieri, Freeman Dyson, Edward Witten, Wladimir Wojewodski und viele andere … Mehr als Harvard, Berkeley, New York oder jede andere Institution kann das IAS Anspruch auf den Titel eines Tempels der Mathematik und der theoretischen Physik erheben. Es gibt zwar nicht so viele Mathematiker wie in Paris, der Welthauptstadt der Mathematik; aber am IAS findet man das Destillat, die Crème de la Crème. Ständiges Mitglied des IAS zu sein, das ist vielleicht die prestigeträchtigste Stelle der Welt!
Und dann ist gleich daneben die Universität von Princeton mit Charles Fefferman, Andrei Okunkow und vielen anderen. In Princeton sind Fields-Medaillen eine Banalität. Manchmal ist man beim Mittagessen gleich von dreien oder vieren dieser Preisträger umgeben! Von Andrew Wiles ganz zu schweigen, der zwar keine Fields-Medaille bekommen hat, dessen Bekanntheitsgrad jedoch den jedes anderen Mathematikers überstieg, als er das große Rätsel löste, das Fermat hinterließ, das dreihundert Jahre lang auf seinen Märchenprinzen wartete. Kurz, wenn es auf große Mathematiker spezialisierte Paparazzi gäbe, könnten sie ihre Kamera in den Speisesaal des IAS stellen und jeden Tag frische Bilder von Prominenten haben.
Davon kann man zwar träumen … aber es geht ja nicht nur darum, jetzt gilt es, eine Bleibe zu finden, die Wohnung, wo wir sechs Monate verbringen und zunächst einmal schlafen werden!
Was werde ich in dieser winzigen Stadt Princeton sechs Monate lang tun?
Ich habe Arbeit! Ich brauche Konzentration. Ich werde mich in Vollzeit meinen mathematischen Liebschaften widmen!
Zunächst muss ich dieser Landau-Dämpfung den Garaus machen. Ich habe gute Fortschritte gemacht, der funktionale Rahmen steht, na los, ich räume mir zwei Wochen für seine Erledigung ein! Und dann werde ich ein weiteres Projekt abschließen, das mit Alessio und Ludovic. Wir werden es schon finden, dieses verflixte Gegenbeispiel, um zu beweisen, dass in der dritten oder einer höheren Dimension die Injektivitätsbereiche einer nahezu kugelförmigen Riemann’schen Metrik nicht notwendig konvex sind. Wir werden es finden, und das wird der Regularitätstheorie des optimalen nichteuklidischen Transports den Todesstoß versetzen!
Und dann bleiben mir noch fünf Monate. Die verwende ich auf meinen großen Traum, die Regularität für Boltzmann! Dafür habe ich Entwürfe mitgebracht, die ich in einem Dutzend verschiedener Länder zusammengekritzelt habe.
Fünf Monate, das reicht wahrscheinlich nicht aus. Ich wollte zwei Jahre darauf verwenden, den ganzen letzten Teil meiner Amtszeit am Institut Universitaire de France, jener Amtszeit, während der ich von verringerten Unterrichtsstunden profitierte, um Forschungsarbeiten zu einem guten Abschluss zu bringen.
Aber ich wurde von diesem oder jenem Projekt in Anspruch genommen. Mein zweites Buch über den optimalen Transport war erschienen, das ich im Januar 2005 angefangen hatte. Ursprünglich dachte ich, mich auf 150 Seiten zu beschränken und mein Manuskript im Juli 2005 abzugeben; schließlich sind es 1000 Seiten, die im Juni 2008 fertig waren. Ich habe mehrmals daran gedacht, mitten auf dem Weg aufzuhören, um mich wieder an Boltzmann zu setzen. Aber ich habe es vorgezogen, weiterzumachen. Im Grunde weiß ich nicht, ob
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