Das leere Haus
darin
und blies nebenher große Rauchwolken mit seiner Zigarre.
»Meine
Sammlung von M's ist wirklich erlaucht«, sagte er.
»Moriarty selbst ist
es wert einen Buchstaben hervorzuheben und hier ist Morgan, der
Vergifter, Merridew mit seinem abscheulichen Gedächtnis,
Mathews, der
meinen linken Eckzahn in der Wartehalle von Charing Cross ausgeschlagen
hat und hier ist schließlich unser Freund aus dieser
Nacht.«
Er gab mir das Buch und ich las:
MORAN,
SEBASTIAN, COLONEL. Arbeitslos. Ehemals bei den ersten
Bangalore-Pionieren. Geboren in London, 1840. Sohn von Sir Augustus
Moran, C.B., ehemals britischer Minister in Persien. In London und
Oxford in die Schule gegangen. Gedient im Jowaki-Feldzug, dem
Afghanistan-Feldzug, Char Asiab (erledigt), Sherpur und Kabul. Autor
von »Voller Einsatz in den westlichen Himalayas«
(1881), »Drei Monate
im Dschungel (1884). Adresse: Conduit Street. Klubs : Der
Anglo-Indische, der Tankerville, der Bagatelle Spielklub.
Am Rand stand in Holmes' präziser Handschrift:
Der zweitgefährlichste Mann Londons.
»Das ist erstaunlich«, sagte ich und gab
ihm das Buch zurück. »Seine Karriere hat als
ehrbarer Soldat angefangen.«
»Das
ist wahr«, antwortete Holmes. »Bis zu einem
gewissen Punkt lief es in
seinem Leben rund. Seine Nerven waren immer schon wie Drahtseile und in
Indien wird immer noch die Geschichte erzählt wie er in einem
Abflußkanal kroch, um einen verwundeten menschenfressenden
Tiger zu
erlegen. Es gibt einige Bäume, Watson, die eine gewisse
Höhe erreichen
und dann plötzlich einen unansehnlichen Spleen entwickeln. Das
sieht
man oft bei Menschen. Ich habe da die Theorie, daß eine
Einzelperson
die Entwicklung seiner ganzen Vorfahren aufnimmt und daß eine
solche
Tendenz für das Gute oder Böse einem starken
Einfluß eines Astes seines
Stammbaums entspringt. Die Person wird damit die Essenz ihrer ganzen
Familienhistorie.«
»Das ist jetzt wirklich eher gewagt.«
»Naja,
ich bestehe nicht darauf. Warum auch immer, aber bei Colonel Moran ging
etwas schief. Obgleich ohne öffentlichen Skandal, war er in
Indien
dennoch nicht zu halten. Er wurde entlassen, kam nach London und machte
sich einen kriminellen Namen. Zu dieser Zeit wurde er von Professor
Moriarty ausgesucht und war daraufhin seine rechte Hand. Moriarty
versorgte ihn mit Geld und engagierte ihn nur für ein oder
zwei
hochkarätige Jobs, die kein gewöhnlicher Krimineller
hätte erledigen
können. Sie haben vielleicht noch eine vage Erinnerung an den
Tod von
Mrs. Stewart aus Lauder im Jahr 1887. Nicht? Nun, ich bin mir sicher,
daß Moran dahinter steckte, aber man konnte ihm nichts
nachweisen. Der
Colonel wurde so klug gedeckt, das man ihn selbst nach der Zerschlagung
der Moriarty-Bande nicht festhalten konnte. Sie wissen doch noch,
daß
ich, als ich vor meinem Verschwinden bei Ihnen war, die
Fensterläden
zugezogen hatte aus Angst vor Luftgewehren? Ohne Zweifel hielten Sie
das damals für paranoid. Ich wußte genau was ich
tat, denn ich wußte
von der Existenz dieser bemerkenswerten Waffe und auch, daß
einer der
besten Schützen der Welt sie bedienen würde. Als wir
in der Schweiz von
Moriarty verfolgt wurden war es ohne Zweifel er, der mir diese
höllischen fünf Minuten auf dem Reichenbacher
Felsvorsprung bereitete.
Sie
können sich denken, daß ich mit einiger
Aufmerksamkeit Zeitung gelesen
habe, als ich mich in Frankreich aufhielt. Ich suchte eine
Möglichkeit
wie ich ihm ein Bein stellen konnte. So lange er noch auf freiem
Fuß
London durchstreifen konnte, wäre mein Leben dort nicht
lebenswert
gewesen. Seine Spitzel hätten mich Tag und Nacht
überwacht und
irgendwann hätte sich ihm garantiert eine Chance geboten. Was
konnte
ich also tun? Ich konnte ihn nicht einfach so erschießen,
denn dann
wäre ich ja selbst eingekerkert worden. Mich an die Justiz zu
wenden
hätte auch nichts gebracht. Sie hätten aufgrund einer
– wie es ihnen
vorgekommen wäre – wilden Vermutung nichts
unternehmen können. Ich
konnte also rein gar nichts tun. Aber ich las die
Verbrechensnachrichten ganz genau, in dem Wissen, daß ich ihm
irgendwann auf die Schliche kommen würde. Dann kam der Tod
dieses
Ronald Adair. Meine Chance war endlich da. Mit dem was ich schon
wußte,
war es für mich klar, daß nur Colonel Moran es
gewesen sein konnte. Er
hat mit dem Burschen Karten gespielt, ihn vom Klub nach Hause verfolgt
und ihn durch das Fenster erschossen. Es gab keinen Zweifel. Die
Gewehrkugeln allein könnten ihn an den
Weitere Kostenlose Bücher