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Das leere Land

Das leere Land

Titel: Das leere Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kohl
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sei, umso wichtiger sei es, zu widerstehen. Schöne Geschichten dachten sie sich aus, mit sabbernder Lust erzählte der junge Präfekt mit den vollen, weichen Lippen und schmalen Händen vom teuflischen Samenerguss. Kalt wie Eis ist der Samen Satans, flötete er, wie ihr wisst, erkennen die sündhaften Weiber, wenn der Schmant so kalt in sie hineinquillt, dass es ein Inkubus ist, der ihnen da gerade beiwohnt.
    Und ich zitterte vor Angst, nachdem es das erste Mal aus mir herausgeschossen war, in die elterliche Badewanne, und kalt über meine Finger floss. Bin ich eine der Kreaturen des Höllenfürsten?, kreischte meine Angst, hastig wusch ich die Hand, spürte die Kälte noch lange. Das Sperma hatte sich kalt angefühlt wegen der vom Badewasser heißen Hände, das war alles. Aber ich glaubte jahrelang, ich wäre des Teufels, oder vielleicht sogar Satan selbst, jeden Tag wieder während der einsamen Onaniersitzungen auf den Clairvaux’schen Klosterklosetts.
    Eine Frau war es gewesen, die Johann Georg Kohl die erste poetische Erzählung überhaupt erzählte, die er je aus dem Munde von Indianern vernommen hatte, wie er penibel notiert. Er hatte sie nicht beachtet, die unansehnliche, alte, namenlose Ojibbeway-Frau, die mit ihrem Pfeifchen im Eck der Erdhütte saß, während die Männer mit ihren Heldensagen und prahlerischen Kriegszugsberichten angaben. Bis sein Dolmetscher meinte, die Alte kenne viele hübsche kleine Geschichten. Da war er in sie gedrungen. Die Pfeifenraucherin hatte sich lange bitten lassen, hatte gemurmelt, sie sei viel zu einfältig fürs Erzählen, ihr Kopf sei schon ganz schwach und ihr Gedächtnis völlig elend geworden. Es brauchte viele typisch indianische Bescheidenheitsphrasen und herkömmliche Entschuldigungen, schreibt Kohl, bis sie endlich anfing zu reden und zu murmeln, dann aber erzählte sie fort und fort wie eine tickende Uhr, die man so bald nicht wieder aufzuziehen nötig hat.
    Matchi-kwe und Ochki-kwe fanden die Spuren des flüchtigen Otterherzen, und, von heftiger Liebe zu ihm hingerissen, verfolgten sie die Fährte mit der Schnelligkeit des Windes. Eine endlos lange Geschichte überliefert Kohl, mit Klettereien in Riesenbäumen, und Flügen mit Hilfe von Tannennadeln, mit Verstecken in hohlen Ahornstämmen, alles Mögliche unternahm Otterherz, doch die Schwestern blieben ihm auf den Fersen. Gib auf, oh Otterherz, riefen die Mädchen, gib auf! Um uns zu entschlüpfen ist die Erde nicht groß genug! Am Ende trennten sich die Schwestern, einzeln würden sie mehr Chancen haben. Und da der Jüngling sowieso nur eine wollte, sollte ihn jene bekommen, die ihn erwischen würde.
    Am Abend erreichte Otterherz eine schnell aus Ästen und Laub zusammengebastelte Hütte, drinnen kochte eine Frau. Ein fremdes Mädchen, dachte er, doch es war die böse Schwester, die eine derart anziehende Gestalt angenommen hatte, dass er sie nicht erkannte. Schön war sie, und seine Lippen begannen zu sabbern, wenn sie sich drehte und bückte vor dem Feuer und ihm wieder und wieder Blicke auf ihr Fleisch bot. Wie wir gesabbert hatten im kalten Wasser von Mutter Donau, als wir uns vorbeitreiben ließen am Nacktbadestrand des gegenüberliegenden Ufers.
    An den Sommerwochenenden starrten wir Dorfbuben hinüber auf das Nordufer der Donau, wie die Erstbesiedler über die Yster gestarrt haben, und wie die Römer über die Duna. Weil drüben das war, was herüben nicht war, das, was die herüben begehrten mit jeder Faser. Was für Yhra und ihren Stamm Raum war, wildreiche Wälder, Augehölz, dicht überwuchert von Gesträuch prallvoll von Beeren, und nach Süden ausgerichtete Uferböschung, also Schutz vor allem Rauen, das aus dem Norden kam, und was für die Römer die massivste Unerträglichkeit war, die sie sich vorstellen konnten, nämlich Land, das nicht sie beherrschten, unmittelbar vor ihrer Nase, das waren für uns Dorfbuben die nackten Brüste und Schöße und Gesäße, die in den Sommermonaten auf dem Wiesenstreifen zwischen Au und Kieselufer da drüben lagen, von herüben nur als Schemen erkennbar, gerade konnte man wahrnehmen, dass sie nackt waren, die Frauen da drüben. Die Männer natürlich auch, aber die interessierten uns nicht.
    Einer aus der Bessarabersiedlung, der um eine Spur älter war und dem schon Haare wuchsen da unten, hatte uns überredet, über die Donau zu schwimmen. All die Nacktheit aus der Nähe zu besichtigen. Von drüberer Landseite aus war der FKK -Platz nicht einsehbar, beinahe

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