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Das leere Land

Das leere Land

Titel: Das leere Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kohl
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zweifach mannshoch waren die Schilfmatten aufgestellt rund um das Vereinsgelände der Nudisten aus Linz. Aber wenn wir hinüberschwimmen und uns dann am Ufer vorbeitreiben lassen würden, drei, vier, fünf Meter entfernt, dann würden wir endlich sehen, was wir noch nie gesehen hätten, sagte der Bessaraberjunge und rief dazu höhnisch aus, dass es wohl so sein werde, dass wir noch nie eine Fut gesehen hätten. Lautstark riefen wir, dass wir sie sehr wohl schon gesehen hätten, mit einer Entrüstung so heftig, dass sie uns als Lügner verriet.
    Der Bessaraberjunge stieg als Erster in das kalte Wasser. Die Buben nannten ihn den Bauchzwick, weil er ein Ausgreifer war, früh pubertär und besessen von Sexualität, die er nur auf eine Art ausdrücken konnte: indem er den anderen, jüngeren Knaben ständig in den Schritt griff. Ein weit verbreiteter Brauch damals. Jeder, den er anfasste, schämte sich, und darum beschrieb keiner solche Attacken als das, was es war, nämlich ein Umfassen und Drücken von Hoden und Glied. Nein, jeder erzählte, auch er sei heute wieder mehrfach von der Bessaraberkrot am Bauch gezwickt worden.
    Eineinhalb Kilometer waren wir flussaufwärts gegangen, so weit oberhalb eines am anderen Donauufer gelegenen Zieles musste man in den damals noch wirklich strömenden Strom steigen, wenn man auf der Höhe eines anvisierten Zieles wie etwa eines Nudistencamps des Linzer FKK -Vereins das nördliche Ufer erreichen wollte. Einer aus Hartheim, der schon einmal durch die Donau geschwommen war, wusste das, wir glaubten ihm, und seine Information erwies sich als korrekt. Ganz leicht war die Donaudurchquerung, solange man nicht versuchte, gegen die Strömung zu schwimmen. Es war eher ein Treiben, das ein pfeilgeschwindes wurde, wenn man Tempi in die richtige Richtung machte, eben nicht in Richtung drüben, sondern Richtung flussabwärts mit einem kaum merklichen Drall nach Norden.
    Bald spürte ich Schotter unter den Füßen. Wir waren drüben, ein kurzes Stück oberhalb der Wiese mit den Nackten. Wir machten uns flach im Wasser und schauten, schauten, schauten. Dann sah ich sie. Nackte Frauen, in großer Zahl. Wahrscheinlich waren sie nicht jung und wohlgeformt und sehnig schlank, aber das sah ich nicht, ich nahm keine einzige Frau als ganzen Körper mit allen Bestandteilen wahr. Sondern erblickte nur Brüste, Ärsche und, wenn welche auf dem Rücken lagen, die kraushaarigen Dreiecke. Ich griff nach unten und versuchte zu masturbieren während des Vorbeigeschwemmtwerdens an dieser Überfülle von Nacktheit, die anderen taten es auch, nahm ich an, schaute aber nicht zu ihnen hin, eben weil ich annahm, sie versuchten dasselbe wie ich. Es ging nicht, das Wasser war zu kalt. Dann entdeckten uns die Nudisten.
    Matchi-kwe kochte auf für den jungen Jäger nach allen Regeln der Kunst, aber sie hielt sich nicht an die Spielregeln. Sie legte nicht ihm die besten Stücke vor, sondern verschlang sie selbst, sie legte nichts zur Seite für das Frühstück, was ein Jäger aber haben musste am Beginn eines anstrengenden Tages. Otterherz schalt die schöne Fremde, da verlor sie alles Anziehende und Liebliche, sie verwandelte sich in eine Wölfin, die mit Riesensätzen davon hetzte. Am nächsten Abend stieß Oshige Wakon wieder auf eine provisorische Hütte, eine freundliche Frauengestalt machte sich am Feuer zu schaffen. Wir ahnen, nein, wir wissen es natürlich: Ochki-kwe war es, die ihn für sich zu gewinnen suchte mit den Verrichtungen und Dienstleistungen, die eine Ojibbeway-Frau einem Ojibbeway-Mann bieten kann und soll. Nachdem er eingetreten war, nahm sie ihm seinen Mantel ab und legte ihn neben die Rehhaut, auf der sie zu schlafen gedachte. Da wusste Otterherz, dass sie ihn zu sich lassen würde zu lustvoller Vereinigung, denn dies war das eindeutige Zeichen gemäß dem Brauchtum der Anishinaabe.
    Es ist, als beschriebe Kohl das Wasserluchsweibchen: Sie war klein und recht hübsch und zierlich, und sie bewegte sich nicht so hastig und schnell wie die Frau vom vorigen Abend. Sie setzte ihm die besten Stücke des gebratenen Wildes vor, aß selbst gar nichts. In der Nacht hörte er ein Knirschen und Schaben, stand auf, fand sie, wie sie von den Birkenzweigen der Hütte die Rinde nagte. Sie gehörte zur Familie der Biber. Wer war da froher als Otterherz! Denn die Otter und die Biber sind seit jeher verbündete Geschlechter gewesen.
    Keine freundlichen Frauen lagen nackt im Kies am nördlichen Donauufer meiner

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