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Das leere Land

Das leere Land

Titel: Das leere Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kohl
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den Ersetzungsvorgang rückgängig. Letzten Endes war es egal, weil der Sprecher meiner Auftraggeber am Schluss ohnehin die geschraubte Namensform Severinus herausredigierte und durch das gängige Severin ersetzte.
    Beim vierten Weinglas rief ich den Sprecher meiner Auftraggeber an, er äußerte Besorgnis, weil ich nach zehn Uhr abends noch nie angerufen hätte. Ohne darauf einzugehen, fragte ich ihn, ob die Eiseskälte nur mir auffiele, er hüstelte ins Handy und sagte dann, dass von Kälte nicht zu reden sei, so warm sei es in unseren Breiten schon lange nicht mehr gewesen in einer zweiten Oktoberwoche. Nicht das Wetter meine ich, sagte ich, nannte dann Politikernamen und aktuelle Gegebenheiten und Begebenheiten, den Frost meine ich, sagte ich, der sich im österreichischen Gemeinwesen festgesetzt hat, der alles durchzieht, wie Myzel Waldboden durchzieht, fahle weißliche Stränge arbeiten sich durch kompakte Massen, erst sind es nur vereinzelte Fäden, kaum wahrnehmbar, aber sie vermehren sich, zäh und beharrlich, und schließlich besteht das Ganze nur noch aus dem kalten Fahlen. Schauen Sie sich nur einmal die Herrschaften im Fernsehen an, sagte ich, all diese fahlen, langweilig frisierten und gekleideten Sprechpuppen, was für ein Eiseshauch aus ihren Mäulern kommt, sobald sie sie aufmachen. Ich merkte gleich, wie unangenehm ihm das war. Darüber wollte er nicht sprechen. Er fragte, was der Grund meines Anrufes sei. Entschuldigen Sie, sagte ich, ich habe ein wenig getrunken. Er wünschte einen weiteren netten Abend und eine gute Nacht und legte auf.
    Jetzt stand ich am Fenster und starrte auf den Hinterhof des Hotels, einen Parkplatz und eine Kirche erbaut aus Backsteinen, gelb müssen die einmal gewesen sein, waren nun braun und schwarz. An der Mauer, die den Hotelhof vom Parkplatz trennte, stand ein Autowrack ohne Motorhaube, die Eisenteile und Schläuche und Kabel des Motors waren nur rudimentär zu sehen, der ganze Motorraum war voll von glitschig braunem verrottendem Laub.
    Es gibt keine Zufälle, schreibt May in dem kuriosen Kapitel, wo er Winnetou nach Dresden kommen und überraschend in einer allerbiedersten deutschen Gaststube auftauchen lässt, in der sein Bruder, der ruhmreiche Old Shatterhand, in der Verkleidung eines sächsischen Spießbürgers wohlgelaunt im Kreise des örtlichen Gesangsvereins schönstes deutsches Liedgut erschallen lässt. Es gibt keine Zufälle, schrieb ich früh am nächsten Morgen, Trixi war noch nicht aufgewacht, als ich nach dem Frühstück hinüberging zu der Kirche und auf der Tafel las, dass es sich um das Gotteshaus der Lazaristenpfarre Wiens handle, von Quintanis bis Vindobona also verfolgt mich Lazarus, von Künzing bis Wien, hier das monströse, in seinen Proportionen die Umgebung erschlagende und verhöhnende Lazarus-Gotteshaus, dort der umgekehrte Lazarus, Presbyter Silvinus, der nicht von den Toten auferweckt werden, sondern tot sein will, einfach nur tot.
    In meinem Kopf schwirrte es nur noch, alles verschob und überlagerte sich und erzeugte dadurch dieses Schwirren, es ist dies jedoch kein angenehmes Schwirren, eines, das einen neugierig macht und einen sich lebendig fühlen lässt, weil das Hirn so selbstverständlich und mit pausenloser Hurtigkeit arbeitet. In meinem Fall bewirkte es nur eine anschwellende Langeweile. Ich war es müde, dass mir dauernd die Rugier in die Quere kamen und die ganze katholische Personage und Kohls trockene Indianergeschichten und das Nazizeug und die nur schlampig versteckten Heimlichkeiten des Dorfes und der Kinderkram meiner Erinnerung. Weil sich etwas mit großer Macht in den Vordergrund drängte. Das Schwirren wegen des dunklen Fells und der samtflauschigen und dabei kinderknusprigen Haut des Wasserluchsweibchens.
    Wie in Linz hatte sich Johann Georg Kohl auf den Märkten Wiens und in den anrüchigen Tabakläden und auf den Gassen und Wegen abseits der Prachtstraßen herumgetrieben, hatte sich von den kleinen Leuten, auch hier teilte er ihnen wieder einen leicht böhmakelnden Dialekt zu, vorjammern lassen, dass es in Wien viel zu viele Italiener gebe, und Ungarn, und Böhmen, und viel zu viele Bettler, die meist in ausländischen Sprachen die Wiener belästigten, weil sie darauf spekulierten, dass eine fremde Sprache bei den Menschen mehr Mitleiden erzeuge als die des eigenen Landes. Einen ganzen Tag lang sah er sich bei den in aller Welt bekannten Fratschelweibern um, den Marktfrauen auf dem damaligen zentralen

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