Das Legat der Toten
wichtig.
Sie standen an vielen Stellen, aber er konnte sie auch herbeiwinken.
Das tat er.
Der Fahrer schaute nur kurz hoch, nickte dann und ließ ihn in den Fond steigen.
»Wohin?«
»Ich will zu einer Kirche. Der Teufel will in die Kirche hinein!« Ein schrilles Lachen drang aus seinem Mund, und der Fahrer, der den Kopf gedreht hatte, bekam große Augen.
»Stimmt das auch?«
»Ja, fahren Sie!«
»Gut.«
Booker ließ sich in die Polster zurücksinken. Die Augen hielt er geschlossen. Für einen Moment genoß er seine Situation. Er war so wahnsinnig stark geworden und fühlte sich wie über den Dingen schwebend. Booker wußte genau, daß ihm die andere Seite als geballte Macht gegenüberstehen würde, doch davor hatte er keine Angst. Er vertraute voll und ganz auf die Kräfte der Hölle und auf den Schutz der absoluten Macht des Bösen.
Die Kirche mit den dazugehörigen Bauten lag zwar mitten in der Stadt, aber trotzdem für sich, weil sie von einer mit Bäumen bewachsenen Grünfläche umgeben war, die wie ein privater Park wirkte. Auch wohl deshalb, weil die Grünfläche von einem recht hohen Zaun umgeben wurde.
Dort ließ Booker den Fahrer anhalten, der den Fahrpreis verlangte, doch kein Geld bekam.
»Sei froh, daß du noch lebst«, flüsterte Booker.
»He, du bist wohl verrückt.«
Booker kümmerte sich nicht mehr um ihn. Er stieg aus und ging auf das Gitter zu. Darin war auch ein Tor eingelassen worden. Um diese Zeit war es natürlich geschlossen. Booker konnte durch die Lücken schauen und sah die mächtigen Mauern der Kirche, deren Turm sich wie ein spitzer Finger in den Himmel reckte. Er verschwand nicht völlig in der Dunkelheit, denn zwei Strahler leuchteten ihn von verschiedenen Seiten an und ließen ihr Licht über das rötlich-braune Mauerwerk fließen. Booker wollte auf dem unkonventionellen Weg in die Kirche gelangen und mußte zunächst das Gitter übersteigen. Dagegen hatte der Taxifahrer etwas. Am Tor holte der Mann Booker ein. Der Fahrer war ein großer Mann, bärtig, auch recht kräftig, und er ließ sich so leicht kein X für ein U vormachen. Wer in der Nacht Taxi fuhr, der mußte sich einfach wehren können.
»So nicht, Freundchen!«
Booker spürte die Pranke des Mannes auf seiner rechten Schulter und ließ sich von ihm herumziehen. Er hätte sich auch dagegenstemmen können, doch das paßte nicht in seine Pläne.
Beide starrten sich an.
»Geh lieber!« flüsterte Booker.
»Nur mit meinem Geld!«
»Ist dir dein Leben wichtiger?«
Der Mann war überrascht, eine derartige Frage zu hören. Er wußte die Antwort nicht und zögerte einfach zu lange, denn da hatte Booker bereits reagiert.
Mit einem blitzschnellen Griff hatte er das rechte Handgelenk des Mannes erfaßt. Er umklammerte es. Der Fahrer schrie auf. Plötzlich schossen Tränen in seine Augen. Dennoch versuchte er, sich aus dem Griff zu befreien, was nicht möglich war, denn der andere zog ihn näher zu sich heran. Es war, als würde ihn ein Roboter holen. Es gab nicht die Spur einer Chance, sich zu wehren, obwohl er seine Absätze gegen den Boden stemmte. So dicht wie eben möglich brachte Booker den anderen zu sich heran und öffnete mit der freien Hand den Mantel.
Der Fahrer sah trotz der Dunkelheit das Zeichen auf der Brust des Mannes.
Es war ein Kreuz!
Nur anders, komisch, schon blasphemisch.
Seine Hand wurde gegen das Kreuz gezogen. Diese Berührung reichte aus. Er hatte das Gefühl, zu explodieren. Er schrie gellend.
Niemand hörte ihn schreien. Der Schmerz flutete durch die Finger bis hinein in den Arm. Booker ließ ihn los und versetzte ihm einen Tritt, der ihn zu Boden schleuderte.
Booker schaute nicht mehr hin. Er drehte sich weg und kümmerte sich wieder um das Gitter. Mit geschmeidigen Bewegungen stieg er an den Stäben in die Höhe, um auf der anderen Seite wieder zu Boden zu springen.
Der Fahrer begriff die Welt nicht mehr. Er war fast bis an seinen Wagen gerollt und hatte sich mühsam auf die Beine gezogen. Am Dach stützte er sich mit seiner gesunden Hand ab.
Die andere sah schlimm aus.
Die Haut war nicht vorhanden. Er sah nur noch eine rote Masse, die unter der Haut hervorgequollen war, und er nahm auch den Geruch nach Verbranntem wahr.
Der Mann stieg in seinen Wagen. Er weinte vor Schmerzen. Die Finger waren gekrümmt, Haut hatte sich gelöst, hing in Fetzen herab, und dicke Tropfen fielen auf den Beifahrersitz.
Er flüsterte etwas vor sich hin, was er selbst nicht richtig verstand. Es waren
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