Das Legat der Toten
hoch!
***
Es war passiert!
Ja, es war zu dieser Entladung aus Licht und positiver Gewalt gekommen. Das Kreuz hatte sich durch das Sprechen der Formel in meine stärkste Waffe verwandelt. Es waren keine Flammen, die es ausschickte, sondern einfach nur Licht, und dieses Licht reagierte auf der anderen Seite wie Feuer.
Innerhalb einer kaum meßbaren Zeitspanne wurden beide Männer von dieser ungeheuren Macht erwischt. Sie konzentrierte sich besonders auf die Gesichter mit den auf den Kopf gestellten Kreuzen, und sie räumte dort grausam auf.
Eine nicht zu begreifende Kraft riß die beiden Mörder in die Höhe. Sie verloren blitzartig den Boden unter den Füßen und flogen zu verschiedenen Seiten hin weg.
Beide brannten in der Luft.
Es war ein helles und sehr gelbes Feuer, das sich nicht mehr löschen ließ. Die Gewalt zerrte sie in die Finsternis hinein, die von zwei leuchtenden Fackeln erhellt wurde.
Kometen, die in die Erdatmosphäre eingedrungen waren und dabei verglühten.
Irgendwo schräg über uns im dunklen Himmel schwächte sich das Licht ab. Die rote Farbe verschwand, das Flackern zog sich zurück, und dann war nichts mehr von den beiden Männern vorhanden. Ich glaubte nicht einmal daran, daß Aschereste vom Himmel rieselten. Die Macht des Kreuzes hatte ihre Existenz radikal vernichtet.
Ich schickte ein Stoßgebet zum Himmel...
***
Susan hatte sich an mich gepreßt. Sie brauchte jetzt einen Halt, denn was sie gesehen hatte, würde sie wahrscheinlich nie in ihrem Leben vergessen.
Die schrecklichste Wahrheit stand ihr noch bevor. Ihr Vater war tot, und ich fürchtete mich, ihr das zu sagen. Aber ich wollte mich zunächst vergewissern.
»Ich muß mal eben weg«, sagte ich mit spröder Stimme. »Du kannst so lange bei Suko bleiben. Er wird bestimmt dafür sorgen, daß dir nichts passiert.«
»Diesmal ja!« versprach mein Freund.
Ich konnte mir gut vorstellen, wie es in ihm aussah. Wer so etwas erlebt hatte, der mußte sich einfach als Versager fühlen. Einzelheiten würde ich später erfahren. Jetzt war es zunächst wichtig, die ganze Wahrheit zu kennen.
Susan konnte auch nicht wieder zurück in das Haus. Ich würde sie Lady Sarah und Jane Collins übergeben. Sie sollten sich dann auch mit der Mutter in Verbindung setzen.
Booker lebte noch!
Genau das bereitete mir die nächste Sorge. Dieser Konvent der Bischöfe fand irgendwo hier in der Stadt statt, und vermutlich wußte Sir James bereits, wo sich die Bischöfe trafen. Es war nicht klar, wann Booker angreifen würde, doch ich vermutete, daß es nicht zu früh sein würde.
Mitternacht möglicherweise. Bis zur Tageswende war noch genügend Zeit.
Als ich die Kirchentür erreichte, blieb ich für einen Moment stehen und nahm auch den beißenden Geruch wahr. Rauch drang unter der Tür her und auch durch die Ritzen an der Seite.
Langsam zog ich die Tür auf. Hustend ging ich die ersten Schritte und konnte jetzt auch besser sehen.
Booker’s Helfer hatten die Kirche in Brand setzen wollen. Mit einem brennenden Tannenbaum hatten sie es versucht und ihn dann zwischen die Holzbänke geworfen.
Dort hatte auch etwas gebrannt.
Allerdings mehr der Baum. Die Bänke waren nur an einigen Stellen angekohlt worden. Noch jetzt glühte der Baum nach wie ein abgestürzter Teil aus dem Weltraum.
Ich ging mit langsamen Schritten auf das eigentliche Ziel zu. Um mehr sehen zu können, hatte ich die kleine Leuchte wieder eingeschaltet. Deren Strahl wanderte mir voraus und traf auch als erster das Ziel.
Keiner hatte gelogen.
Der Pastor – Susan’s Vater – lag tatsächlich auf dem Altar. Seine Knie berührten noch den Boden, und den Oberkörper hatte er auf der Altarplatte ausgebreitet. Lampen verstreuten nur schwaches Licht. Wie Glotzaugen hingen sie von der großen Kirchendecke herab nach unten.
Die Wunde zeichnete sich im Nacken des Pastors ab. Dort hatte Miranda ihr verdammtes Messer hineingetrieben.
Sehr vorsichtig hob ich den Pastor an und legte ihn ebenso behutsam auf den Altar.
Und dann zuckte ich zusammen, als hätte mich ein Engel berührt!
Etwas war passiert.
Sogar etwas Unglaubliches.
Der Geistliche lebte!
Ich hatte ihn stöhnen gehört, und als ich in sein Gesicht leuchtete, zuckten die Augen.
Miranda Wayne hatte sich geirrt. Der Stich war nicht so tief gedrungen wie bei Frenton, dem Zuhälter.
In diesem Augenblick war alles andere vergessen. Jetzt zählte allein nur der Mensch. Wer wußte denn, wie lange er noch lebte. Ich durfte keine
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