Das leichte Leben: Eine Geschichte aus der Vorstadt (German Edition)
einem jungen, redseligen Importeur, der italienische Weine, Pasta und Süßwaren vertrieb. Frieder hielt ihn für einen arbeitslosen Lehrer, der auf der italophilen Welle mitschwimmen wollte und zweimal jährlich zu Weinproben einlud. Frieder, Daria und einige ihrer Nachbarn fuhren regelmäßig hin. Butter und Mehl bei Aldi zu kaufen war okay, aber Vin Santo, Chianti, einen fruchtigen Vernaccia und einen Grappa kaufte man in einer restaurierten Scheune, geschmückt mit italienischen Fahnen, handgemachten toskanischen Fiaschi, zur Musik von Angelo Branduardi und Andrea Bocelli.
„Was gab es bei dir in der Kantine, Papa?“ Svenjas Stimme war dünn und unsicher.
„Lass mich überlegen. Wenn ich Freitagabend bei euch bin, ist die ganze Arbeitswoche schon aus meinem Kopf verschwunden, untergetaucht wie ein Stein im Wasser. Also, es gab entweder Fisch, Tintenfischringe, genauer gesagt, mit Pommes oder Rinderleber mit Zwiebelringen. Iiiiiiihhhhh, sagt meine Tochter dazu.“
Svenja streckte den rechten Arm weit aus, sodass ihre Finger fast bis zu Frieders Teller reichten und ließ den Kopf auf die Schulter sinken. Eine Geste der Versöhnung.
„Und was hast du genommen, Papa?“
„Gar nichts. Ich esse doch nur selten in der Kantine.“
„Und warum betest du ihr die Speisekarte runter?“, rief Daria plötzlich. Ihre Wangen waren gerötet, entweder eine Wirkung des Weins oder der Wut, die Pfeile abschoss und die Frieder völlig überraschte.
„Weil sie danach gefragt hat.“
„Sie hat dich danach gefragt, weil sie annahm, dass du in der Kantine gegessen hast.“
„Sie wollte wissen, was es in der Kantine gab.“
„Nein. Sie wollte wissen, was du zu Mittag gegessen hast.“
„Das hat sie nicht gefragt.“
„Aber gemeint. Wenn du deiner Tochter zuhören würdest, anstatt ihr Vorwürfe zu machen, dass sie dir nicht zuhört, hättest du es gewusst.“
„Vielleicht wollte sie nur wissen, ob es in der Kantine zufällig das Gleiche gab wie bei euch zu Hause.“
„Mach dich doch nicht lächerlich.“
Die letzten Sätze hatten beide fast geschrien, die Blicke ineinander gebohrt. Frieder stocherte mit der Gabel in seinem Teller. Er drehte ein paar Spaghetti auf seine Gabel, aber noch bevor er den Mund öffnete, roch er, dass sie kalt geworden waren, und ließ die Gabel wieder sinken.
„Ich habe keinen Hunger mehr. Kann ich bitte nach oben gehen?“
Svenja wusste, dass sie in diesem Moment keinen Widerspruch zu erwarten hatte, und stand schon auf, während sie noch sprach. Daria ging mit ihrem noch halbvollen Glas in den Garten, um eine Zigarette zu rauchen.
Frieder klappte die Tür der Spülmaschine zu und stellte den Ökowaschgang ein. Die Küche hatten sie übernommen, obwohl sie ihnen beiden nicht gefiel. Grau, wohin man blickte: die Hängeschränke, die Geräte, die Arbeitsplatte, lediglich aufgehellt durch eine leuchtendrote Lichtschiene an der Oberkante der Hängeschränke. Die Doppelspüle war aus sandfarbener Keramik, und rieb sich mit dem Weiß der Kacheln unterhalb der Hängeschränke.
Aber die Küche war praktisch neu, auf Maß gearbeitet, und deshalb verbot sich jeder Gedanke an einen Austausch. Im Gegenteil – in dem Maße, in denen ihnen die neuen Möbel fremd blieben („Ich sieze jede Schublade und jede Schranktür“, hatte Daria einmal gesagt), entwickelten sie eine besondere Bindung an ihre Küche. Sie hatten sie übernommen, wie sie in ihren Studentenbuden und der ersten gemeinsamen Wohnung in Nordschwabing notgedrungen Teile der Einrichtung übernommen hatten. Die Küche erinnerte sie an die Zeit, als sie ihr Leben noch aus eigener Tasche finanziert hatten.
Daria kam herein und warf, jede Körperberührung mit ihrem Mann vermeidend, den Zigarettenstummel in den Mülleimer. Sie nahm die Chiantiflasche von der Fensterbank – bald würde es zu warm sein, um offenen Wein dort aufzubewahren – und goss ihr Glas halbvoll.
„Die Nummer mit Svenja war überflüssig wie ein Kropf. Es hat ihr leidgetan, dass sie dir nicht zugehört hat, und du …“
„Es reicht!“, schrie Frieder und warf den Lappen, mit dem er gerade die Sets abgewischt hatte, in die Spüle. „Niemand hat irgendwen vorgeführt. Sie hat doch überhaupt nichts gesagt. Die ganze Diskussion ist doch völlig absurd.“
„Es wäre nicht die erste“, entgegnete sie.
„Und es wird auch nicht die letzte bleiben, wenn du nicht endlich aufhörst, ihren Anwalt zu spielen. Sie braucht keinen mehr.“
„Vielleicht
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