Das leichte Leben: Eine Geschichte aus der Vorstadt (German Edition)
nicht mehr als ein ausgebauter Schuppen. Rechts davon Beete und Gewächshäuser. Als Frieder aus dem klimatisierten Volvo stieg, überraschte ihn die warme Luft. Instinktiv legte Frieder den Kopf in den Nacken: Der Himmel war ein endloses blaues Laken, der Tag würde schön werden, warm und endlos.
Nur drinnen, im Schuppen, war es stickig und voll. Frieder stellte sich hinten an, zählte die vor ihm Wartenden (sieben) und holte den Einkaufszettel heraus. Jeden Samstag dasselbe; Daria hätte am Donnerstag oder Freitag mit dem Fahrrad vorbeifahren können, dachte er, dann sind die Geschäfte leer, aber das tat sie nur selten, als wäre seine Zeit, die er in Warteschlangen verbummelte, weniger wert als ihre.
Eine junge, sehr schlanke Frau kam an die Reihe. Ihr Baby trug sie in einem Tuch vor der Brust, ihre vielleicht dreijährige Tochter löste sich von der Hand der Mutter und griff in eine Kiste mit Apfelsinen, die auf dem Boden stand. Die Frau ließ sich von den Auslagen inspirieren, ihr Blick ging langsam von links nach rechts und wieder zurück. Sie nahm verschiedene Kräuter, drei Äpfel, zwei Birnen, vier Karotten. Will Erdbeeren, sagte die Kleine, und die Mutter wählte sorgfältig ein Schälchen aus. Will auch Äpfel. Habe ich schon genommen, sagte die Mutter. Danach fragte sie ihre Tochter, ob sie heute Mittag Broccoli essen wolle. Was ist Broccoli, fragte die Tochter. Die Mutter nahm sie an der Hand und führte sie zur Kiste mit dem Broccoli. Die Tochter sagte nichts, überlegte lange und zuckte die Achseln. Oder magst du lieber Fenchel, fragte die Mutter. Das Gelbe da?, fragte die Tochter und zeigte auf eine Ananas. Das ist eine Frucht, sagte die Mutter geduldig, Fenchel ist ein Gemüse, ein Knollengemüse. Nimm es in die Hand, es ist ganz hart, aber beim Kochen wird es weich. Und Mama kann eine Soße dazu machen.
In der Zwischenzeit waren zwei weitere Kunden hereingekommen und hatten die Schlange fast bis zum anderen Ende des Schuppens verlängert. Ein älterer Mann vor Frieder hüstelte demonstrativ, ein anderer scharrte mit den Schuhen nervös auf dem Zementboden. Aber die Tochter prüfte weiter die Fenchelknolle und schüttelte dann den Kopf. Magst du lieber einen Feldsalat, fragte die Mutter, und Frieder dachte, wenn sie jetzt fragt: Das große Gelbe da, Mama?, und auf einen Kürbis zeigt, erschieße ich sie.
Als Frieder eine halbe Stunde später zu einem Drogeriemarkt fuhr, schaltete er sein Handy aus und hielt an einer Telefonzelle. Er atmete tief ein und aus, während er die Nummer tippte. Die Luft in der Kabine erschien ihm unerträglich heiß, er öffnete die Tür einen Spalt und war plötzlich irritiert von der Vorstellung, das Freizeichen würde sich wie ein Vogel in die Luft schwingen und in ganz Gerding zu hören sein, bis zur Karolinenstraße.
Er schloss die Tür und schaute auf die Telefonbücher, die wie in einer Registratur nach unten hingen und komplett und unzerstört schienen.
„Ja, was ist?“ Eine junge, sehr müde Stimme. Das Freizeichen hatte mindestens zehn Mal getönt.
„Mark, ich bin's.“
„Was?“
„Hier ist Frieder.“
Eine Pause entstand. Frieder glaubte zu hören, wie der Junge gähnte und sich mit den Fingern am Kopf kratzte.
„Wie spät ist es, Mann?“
„Na ja, gleich elf, schätze ich mal.“ Frieder hatte auf die Uhr geschaut, es war zwanzig vor zehn.
„Und? Is' irgendwas?“
„Ich bin gerade unterwegs, einkaufen.“ Frieder fühlte sich ersticken in der Kabine, er lehnte sich mit der Schulter gegen die Tür und öffnete sie einen Spalt.
„Ihr Familienväter seid doch alle gleich. Kaum fängt das Wochenende an, flattern euch die Nerven.“
„Ich bin nicht einer von deinen Familienvätern.“
„Oh, ich bitte tausend Mal um Vergebung.“ Mark klang nun völlig wach, seine Stimme war fest, mit spöttischem Unterton, er befand sich auf seinem Terrain.
Frieder wusste nicht, was er jetzt sagen sollte. Er wusste nicht einmal, warum er überhaupt angerufen hatte. Absurd, sein Kopf war völlig leer. Er drehte sich in der Telefonzelle, schaute auf den Verkehr in der Dorfstraße (oder war es doch die Hauptstraße?) und ließ das Telefonkabel zwischen seine Finger gleiten.
„Hör mal“, sagte Mark. „Wenn du …“ Er hielt inne, und Frieder hörte, wie eine Tür in Marks Wohnung laut ins Schloss fiel.
„Hast du Besuch?“
„Der Alte ist gestern Abend gekommen.“
Frieder sog die Luft ein. Er kannte Marks Eltern nicht, wusste nur sehr wenig
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