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Das letzte Buch

Das letzte Buch

Titel: Das letzte Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Zivkovic
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tödlich sein kann.«
    »Offenbar ja. In ganz besonderen Fällen.«
    Er schüttelte das Taschentuch aus und steckte es zurück in die Hosentasche.
    »Sind drei besondere Fälle in nur wenigen Tagen nicht zu viel? In wie viel Tagen genau?«
    »In drei Tagen.«
    »Vorher ist nichts Ähnliches im ›Papyrus‹ passiert?«
    »Nein. Auch in keiner anderen Buchhandlung, soweit ich weiß.«
    »Ist es möglich, dass es sich dabei nicht nur um einen Zufall handelt?«
    Es vergingen ein paar Sekunden der Stille, ehe ich mit einer Gegenfrage antwortete.
    |62| »Woran denken Sie?«
    »Ach, Sie wissen schon, wir leben in einer stürmischen Zeit.«
    »Wollen Sie sagen, es könnte jemand dahinterstecken?«
    »Die Möglichkeit ist nicht auszuschließen. Die Welt ist voller Psychopathen, und an Terroristen herrscht auch kein Mangel.«
    »Von Terroristen würde ich erwarten, dass sie sich eine größere Zielscheibe auswählen als so eine kleine Buchhandlung.«
    »Das weiß man nie! Wenn sie irgendeine biologische Waffe benutzen, ist es ihnen egal, wo sie sie zuerst anwenden. Eigentlich,
     je unauffälliger ihr Ausgangsort, desto besser. Und Psychopathen wollen sowieso nicht hoch hinaus.«
    »Was schlagen Sie vor zu unternehmen?«
    »Wir können nichts tun, ehe nicht der Befund vom Pathologen vorliegt. Danach sehen wir weiter. Nicht ausgeschlossen, dass
     wir Hilfe anfordern müssen.«
    »Den Staatsschutz?«
    »Ja. Die sind als Einzige entsprechend ausgestattet für einen Kampf gegen Terroristen.«
    »Ich würde sagen, das ist trotzdem nicht unbedingt nötig. Wenn mich meine Intuition nicht täuscht, handelt es sich hier um
     etwas weniger Dramatisches als Terrorismus.«
    »Intuition habe ich in unserem Beruf immer geschätzt, aber seien Sie trotzdem auf der Hut. Für alle Fälle. Vielleicht könnten
     Sie in den kommenden Tagen ab und zu mal bei diesem Laden vorbeischauen.«
    »Das hatte ich auch vor.«
    »Ausgezeichnet. Sie sind ja ohnehin ein Bücherwurm, also werden Sie dort nicht auffallen.«
    Ich lächelte.
    »Das betrachte ich als Kompliment.«
    »Kompliment hin oder her, aber ich kann ja wohl nicht |63| Kollegen Petronijević in die Buchhandlung schicken! Den würden alle gleich auf den ersten Blick als Polizisten erkennen.«
    »Dafür würde er aber, sagen wir, in einer Boulevardzeitung unbemerkt durchgehen.«
    Nun lächelte wiederum er.
    »Jeder hat seine Besonderheit. Und keine ist unwichtig.«
    »Selbstverständlich.«
    »Gut, das wäre alles.«
    Ich stand auf und ging zur Tür.
    »Unterrichten Sie mich sofort, wenn etwas Neues auftaucht«, sagte er, als ich sie schon geöffnet hatte.
    »Auf jeden Fall, Chef.«
    Kaum war ich auf dem Korridor, da klingelte mein Handy. Auf dem Display blinkte die Nummer der Buchhandlung.
    »Hallo?«
    »Kommissar Lukić?«
    »Ja bitte, Fräulein Bogdanović?«
    »Ich hoffe, ich störe Sie nicht.« Ihre Stimme klang kühl.
    »Keineswegs.«
    »Könnten Sie vielleicht in unsere Buchhandlung kommen?«
    Ich blieb stehen.
    »Ist etwa …«, brachte ich nach kurzem Zögern hervor.
    »Ich muss Sie enttäuschen. Es ist niemand gestorben. Aber es gibt andere Probleme.«
    »Ich komme sofort.«

|64| 10.
    Im »Papyrus« traf ich auf zwei Kunden. Ein hochgewachsenes junges Mädchen mit einer bunten Wollmütze, einer Lederjacke, die
     ihr kaum bis zu den Hüften reichte, und Jeans, die in hohen Stiefeln steckten, stand am Regal links vom Eingang und blätterte
     in einem größeren Buch. Ihre Lippen bewegten sich lautlos, sie begleitete die Worte eines Lieds, das über den Walkman an ihre
     Ohren drang.
    In einem Sessel saß ein schon etwas glatzköpfiger Herr mittleren Alters. Der Mantel war über seine Beine gelegt, darauf Schal
     und Hut. Seitlich am Sessel lehnte sein Regenschirm. Bestimmt wäre es für ihn bequemer gewesen, wenn er das alles am Garderobenständer
     gelassen hätte. Er hätte es auch leichter gehabt, wenn er eine passende Lesebrille gehabt hätte, sodass er seine Hände mit
     dem Buch nicht bis zu den Knien hätte ausstrecken müssen.
    Ich ging zu Fräulein Bogdanović, die bei der Kasse am Verkaufstisch stand. Schade, dass sie sich nicht zumindest ein wenig
     geschminkt hatte, um ihren blassen Teint zu verdecken. Sie reichte mir nicht die Hand, wofür ich ihr dankbar war. Ich mag
     keinen laschen Händedruck.
    Sie blickte auf die Armbanduhr.
    »Sollten Kriminalkommissare nicht schneller sein?«
    »Wir sind schneller, wenn es einen Grund dafür gibt.« Ich schaute mich in der

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