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Das letzte Buch

Das letzte Buch

Titel: Das letzte Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Zivkovic
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Autopsiesaal gerufen.«
    »Soll ich mitkommen?«, fragte Doktor Dimitrijević.
    »Nein, nein. Warten Sie bitte hier auf mich.«
    Als der Hauptkommissar hinausgegangen war, wandte ich mich an den Doktor. Er wartete meine Frage nicht ab.
    |107| »Ich habe sie nicht gerufen, falls Sie das gedacht haben. Ich habe noch nicht einmal mit meinen Freunden telefonieren können,
     die Verbindung zur Geheimpolizei haben.«
    »Wie haben sie es denn sonst erfahren?«
    Er breitete die Arme aus und zuckte die Schultern.
    »Keine Ahnung. Die haben ihre Leute überall.« Er hielt inne, dann kicherte er. »Oder sie haben es aus der Klatschpresse erfahren.«
    Ich nickte.
    »Das ist das Wahrscheinlichste.«
    »Gab es in der Wohnung von Frau Stojanović etwas Interessantes?«
    »Ihr Tod wird jemand anderen erfreuen. Ihre Erben bekommen eine riesige Bildersammlung.«
    »Sind Bücher da?«
    »Ein Regal voll.«
    »Ist Ihnen eines davon ins Auge gefallen?«
    »Dafür war keine Zeit. Ich hatte gerade begonnen, sie anzuschauen, da haben Sie mich angerufen, wieder herzukommen.«
    Ich steckte meine Hand in die Tasche, um ihm die Schlüssel zur Wohnung von Frau Stojanović zurückzugeben, doch stattdessen
     nahm ich mein Handy heraus, das plötzlich klingelte.
    »Hallo?«
    »Kommissar Lukić«, sagte Hauptkommissar Milenković, »es wäre unbedingt nötig, die Buchhandlung ›Papyrus‹ ein wenig zu inspizieren.
     Könnten Sie Fräulein Gavrilović anrufen, dass sie uns öffnet?«
    »Selbstverständlich«, antwortete ich nach kurzem Zögern. »Ich rufe Sie gleich zurück.«
    Während ich wartete, bis Vera den Hörer abnahm, ging mir eine Vielzahl von Fragen durch den Kopf. Woher wusste er, wie eine
     der Inhaberinnen der Buchhandlung heißt? Weshalb |108| wollte er, dass ich gerade sie anrufe und nicht Fräulein Bogdanović? Und weshalb nahm er an, ich hätte Veras private Telefonnummer?
    »Vera, hier ist Dejan. Könntest du gleich zum ›Papyrus‹ kommen? Meine Kollegen wollen sich ein wenig in der Buchhandlung umsehen.
     Sie glauben, es ist am besten am Sonntag, wenn keine Kunden da sind.«
    »Ist etwas passiert?«, fragte Vera verhalten.
    »Ich erzähle es dir dann. Ich komme auch hin.«
    Aus dem Hörer drang einige Zeit kein Laut.
    »Gut. Ich bin in etwa fünfzehn Minuten dort.«
    Ich drückte die Rückruftaste.
    »Fräulein Gavrilović wird in fünfzehn Minuten im Laden sein.«
    »Ausgezeichnet. Danke Ihnen.« Ich dachte, er werde auflegen, doch dann ließ er sich wieder vernehmen. »Nur noch eine Kleinigkeit,
     Kommissar: Haben Sie von dem
letzten Buch
gehört?«
    »Wovon?«, fragte ich, wobei ich verzweifelt hoffte, meine Stimme werde mich nicht verraten.
    »Ach, unwichtig«, erwiderte der Hauptkommissar nach kurzem Schweigen. »Darüber sprechen wir ein andermal. Sie werden auch
     zur Buchhandlung kommen, nicht wahr?«
    »Selbstverständlich.«

|109| 19.
    Außer Hauptkommissar Milenković vom Institut für Gerichtsmedizin stiegen sieben Angehörige vom Amt für Nationale Sicherheit
     aus – drei Frauen und vier Männer. Sie waren mit zwei Autos gekommen. Die Autos wirkten eher schäbig, waren unterschiedlich
     in Farbe und Typ, nicht ganz sauber. Ich war ihnen in geringem Abstand gefolgt und hatte mich dabei mit meinem Gefährt in
     diese unauffällige Kolonne eingereiht.
    Als wir ankamen, war Vera bereits in der Buchhandlung. Sie stand hinter der Kasse. Ich beeilte mich, als Erster hineinzugehen.
     Als ich bei ihr war, lächelte ich sie an und strich ihr über den linken Arm.
    »Es ist alles in Ordnung.«
    Meine Worte heiterten ihre besorgte Miene nicht auf.
    Hauptkommissar Milenković wandte sich an uns, während sich die Übrigen in der Buchhandlung in alle Richtungen verteilten und
     die Bücherregale in Augenschein nahmen. Einer der beiden Agenten aus dem Foyer des Instituts hielt sich an der Eingangstür
     auf.
    »Guten Tag«, sagte der Hauptkommissar, ebenfalls lächelnd. »Fräulein Gavrilović, vermute ich?«
    Sie nickte und ergriff die dargebotene Hand.
    »Hauptkommissar Milenković«, stellte ich ihn vor. »Amt für Nationale Sicherheit.«
    In Veras Augen traten Tränen.
    |110| »Bei uns ist noch nie die Geheimpolizei gewesen.«
    »Dafür gab es auch keinen Grund«, erwiderte der Hauptkommissar.
    »Und jetzt gibt es einen?«
    »Es stirbt selten jemand in einer Buchhandlung. Dieser Laden ist offenbar eine Ausnahme. Vier Tote innerhalb von drei Tagen
     ist mehr als ein ausreichender Grund.«
    Vera musterte den Hauptkommissar

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