Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das letzte Buch

Das letzte Buch

Titel: Das letzte Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Zivkovic
Vom Netzwerk:
Erklärung.«
    »Damit wäre unsere ganze Arbeit zunichte!«
    »Sie würden noch viel mehr zunichtemachen als euren Laden, um einem Angriff auf die nationale Sicherheit vorzubeugen.«
    Vera seufzte tief.
    »Und wenn sie feststellen, es sind keine Terroristen?«
    »Dann werden sie den Fall uns überlassen. Ein Serienmörder ist unter der Würde der Geheimpolizei.«
    Wir waren bei der Teestube angelangt. Ich drückte die Klinke hinunter, öffnete aber nicht sofort.
    »Solange wir auf den Hauptkommissar warten, führen wir ein unverfängliches Gespräch. Über Teesorten zum Beispiel. Ja?«
    Sie warf mir einen langen Blick zu, dann nickte sie.

|118| 21.
    Noch nie hatte ich ein so langes Gespräch über banale Dinge geführt. Als Hauptkommissar Milenković endlich erschien, war es
     schon fast halb fünf.
    In der Zwischenzeit hatte ich mich ausführlichst über die heilenden und überhaupt wohltuenden Eigenschaften der fernöstlichen
     Teesorten informiert. Zuerst hatte Vera mir davon erzählt, aber obwohl sie im Verhältnis zu mir eine wahre Expertin darin
     war, konnte sich ihr Wissen dennoch nicht mit dem des Besitzers messen. Da keine anderen Kunden in der Teestube waren, gesellte
     er sich nach einiger Zeit zu uns. Er blieb bei uns, bis der Hauptkommissar eintraf, weil sonst niemand weiter erschien.
    Es war angenehm, ihm zu lauschen, nicht nur wegen der interessanten Sachen, von denen er erzählte, sondern auch wegen seiner
     Sprache. Seine fehlerhafte Ausdrucksweise war voller komischer Wortverbindungen, sodass ich mehrmals nicht an mich halten
     konnte und lachen musste. Er nahm es mir nicht übel. Er lachte auch selber mit, obwohl mir nicht klar war, was ihm daran so
     lächerlich vorkam.
    Er musste sich sehr bemühen, uns zu erklären, wofür der Lotostee gut sei. Wir schauten uns unsicher an, als er von »unten
     verschlossen«, »hart innen«, »will nicht gebären« sprach. Erst als er zur Toilettentür zeigte und mehrere Kreise mit dem Finger
     auf seiner Armbanduhr zog, verstand Vera als Erste.
    |119| »Gegen Verstopfung«, sagte sie und wurde rot.
    Noch bildhafter beschrieb er, wann man einen Tee trinken müsse, der auf der Karte als Schmetterlingspulver-Tee bezeichnet
     war. Er bemühte sich eine Weile, die rechten Worte zu finden, aber da wir nicht begriffen, zog er eine echte pantomimische
     Vorstellung ab. Zuerst beschrieb seine Hand die Form einer Vase auf dem Tisch, dann tat er offenbar eine Blume hinein. Durch
     den erhobenen Zeigefinger dargestellt, stand die Blume eine Zeit lang aufrecht, dann begann sie langsam zu welken. Als in
     die Vase ein Elixier aus Schmetterlingspulver hineingeschüttet wurde, hob sich die Blume rasch wieder.
    Wir verstanden beide gleichzeitig, sodass niemand aussprechen musste, was durch diesen Tee geheilt wird. Der Alte strahlte
     vor Freude, als er in unseren Mienen las, dass es ihm ohne Worte gelungen war, es uns zu erklären.
    Diesmal tranken wir keinen Feigentee. Als ich ihn bestellen wollte, schlug der Teestubenbesitzer etwas anderes vor.
    »Tee von Algen ist gut für Kopf.«
    Vera runzelte die Stirn. »Wir haben keine Kopfschmerzen.« Sie wandte sich an mich. »Zumindest nicht im wörtlichen Sinne.«
    »Nicht für Schmerzen-Kopf. Für Arbeit-Kopf.«
    Ich war nicht sicher, was er sagen wollte, ehe ich den Algentee nicht probiert hatte. Bereits nach zwei Schlucken fühlte ich
     mich fit wie nach einem gesunden Schlaf. Mir schien, als wären meine Gedanken bis vor Kurzem noch wie mit einem Schleier überzogen
     gewesen, der sich nun lüftete, sodass ich alles klarer sah. Mein Kopf arbeitete tatsächlich besser.
    Das Getränk wirkte auch positiv auf Vera. Ich weiß nicht, wie es um ihre Gedanken stand, aber sie begann sich zu entspannen.
     Nachdem sie, schneller als ich, die Tasse leer getrunken hatte, vertiefte sie sich mit dem Alten in ein fröhliches |120| Gespräch über Teesorten. Sie machte gar nicht mehr den Eindruck einer Inhaberin der Buchhandlung, die soeben von der Geheimpolizei
     durchsucht wird.
    Als Hauptkommissar Milenković endlich die Teestube betrat, sah ihm Vera mit vorwurfsvoller, nicht aber ängstlicher Miene entgegen.
    »Werden Sie den Laden schließen, Herr Hauptkommissar?«, fragte sie trotzig, als er sich an unseren Tisch setzte.
    Statt einer Antwort wandte er sich an den Alten, der sogleich aufgestanden war, als sich die Tür der Teestube geöffnet hatte,
     und der nun lächelnd neben dem Tisch stand.
    »Rote-Bete-Tee bitte«, sagte er.
    Der

Weitere Kostenlose Bücher