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Das letzte Buch

Das letzte Buch

Titel: Das letzte Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Zivkovic
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unsicher, dann mich.
    »Drei, nicht vier«, verbesserte sie ihn in halb fragendem Ton.
    Der Hauptkommissar wandte sich an mich.
    »Haben Sie ihr noch nichts gesagt?«
    »Es war noch keine Gelegenheit dazu.«
    »Was hast du mir nicht gesagt?«
    »Frau Dragana Stojanović«, begann ich langsam. »Kustodin … Eure alte Kundin … Erinnerst du dich?«
    »Ja?«
    »Sie ist gestorben. In ihrer Wohnung. Schon am Freitag.« »Oh!«
    Sie hielt sich die Hand vor den Mund.
    »Ohne Grund«, fügte ich hinzu. »Nicht wahr, Hauptkommissar?«
    Er sah mich kurz an, antwortete aber nichts.
    »Wie Sie sehen«, wandte er sich an Vera, »gibt es gewichtige Gründe, die Buchhandlung zu durchsuchen. Mit Ihrer Erlaubnis
     natürlich.«
    »Selbstverständlich«, erwiderte ich. »Fräulein Gavrilović wird keinen gerichtlichen Durchsuchungsbefehl verlangen.«
    Der Hauptkommissar lächelte wieder.
    »Danke. Wir werden nicht lange brauchen. Würden Sie bitte in der Nähe warten? Vielleicht muss ich Ihnen ein paar Fragen stellen.«
    Vera nickte.
    »Ausgezeichnet! Ich schlage die Teestube ›Zum Mandarin‹ |111| vor. Sie ist hier in der Nähe. Bestimmt haben Sie von ihr gehört. Da gibt es hervorragende Tees. Es heißt, der Feigentee ist
     besonders gut. Ich bin überzeugt, Kommissar Lukić wird Ihnen gern Gesellschaft leisten. Ich komme dazu, sobald wir fertig
     sind.«

|112| 20.
    Wir gingen die Straße entlang. Sie reichte mir den Schirm, hakte sich aber nicht bei mir unter. Nicht einmal unsere Schultern
     berührten sich.
    Ich suchte nach dem rechten Wort für ein Gespräch, doch Vera kam mir zuvor. Ihre Stimme war kühl und angespannt.
    »Was bedeutet das alles, Dejan?«
    Ich wechselte den Schirm in die linke Hand, und mit der rechten umarmte ich ihre Schulter. Mir schien, als wollte sie Widerstand
     leisten, es dann aber doch nicht tat.
    »Ich will dir alles sagen, was ich weiß. Aber ich weiß nicht viel.«
    Sie blieb stehen und sah mich durchdringend an. So standen wir einige Sekunden.
    »Woher weiß er von der Teestube?«, fragte sie, als wir weitergingen. »Und vor allem von dem Feigentee?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Keine Ahnung. Ich kann nur raten. Er hat das gesagt, um dich zu beunruhigen. Ein alter Trick der Geheimpolizei. Sie versuchen
     dir einzureden, sie wüssten sehr viel über dich.«
    »Dann lass hören, was du vermutest.«
    »Ich werde dich nur zusätzlich beunruhigen.«
    »Egal.«
    »Jemand hat sie über unseren Besuch im ›Mandarin‹ informiert.«
    »Der Besitzer?«, fragte sie ungläubig.
    |113| »Nicht ausgeschlossen. Doch ich bezweifle es.«
    »Aber wer sonst?«
    »Es war ein junges Paar dort.«
    Sie wandte ihren Kopf zu mir und sah mich verdutzt an.
    »Daran kann ich mich nicht erinnern.«
    »Du hast nicht darauf geachtet. Du warst mit anderen Dingen beschäftigt.«
    Ihre Stimme bekam einen vorwurfsvollen Unterton. »Ich dachte, du auch?!«
    »Ja, natürlich. Aber das hat meine Aufmerksamkeit nicht völlig gelähmt. Ein Kommissar bleibt immer mit einem Teil seines Bewusstseins
     Kommissar, auch dann, wenn er verliebt ist.«
    Als sie sich an mich schmiegte, schien sie zu beben.
    »Aber warum sollte uns die Geheimpolizei überhaupt beschatten?«
    »Offenbar interessiert sie die Buchhandlung schon seit geraumer Zeit.«
    »Glaubst du, seit das mit den Toten anfing?«
    »Wahrscheinlich schon früher.«
    »Aber was kann das Amt für Nationale Sicherheit denn an einer gewöhnlichen Buchhandlung interessieren?«
    »Vielleicht ist sie nicht ganz gewöhnlich.«
    Wieder blieb Vera für einen Moment stehen.
    »Wieso nicht? Du machst mir Angst, Dejan.«
    Ich umarmte sie fester. »Die Todesfälle sind ungewöhnlich.«
    »Hast du nicht gesagt, es wären natürliche? Du hast mich verwirrt, als du vorhin ›ohne Grund‹ sagtest. Was hat das zu bedeuten?«
    Wir hatten gerade die Teestube erreicht. Sie schritt auf den Eingang zu, doch ich hielt sie auf. Fragend sah sie mich an.
    »Lass uns noch ein bisschen weitergehen. Es ist doch romantisch, so im Regen.«
    |114| Sie wollte etwas sagen, wartete aber ab, bis wir etwas weiter weg waren.
    »Warum sind wir nicht hineingegangen?«, fragte sie schließlich, ungewöhnlich leise. »Mir ist kalt.«
    »Weil wir womöglich nicht frei hätten reden können.«
    »Ist da wieder ein Spion?«
    »Nicht nötig. Vielleicht war auch beim ersten Mal keiner da.«
    »Na, wie sonst …?«
    »Wir haben bei einem Telefongespräch über die Teestube und den Feigentee gesprochen.«
    Ein paar Schritte

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