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Das letzte Buch

Das letzte Buch

Titel: Das letzte Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Zivkovic
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Besitzer verbeugte sich wortlos und ging, um den Tee zuzubereiten.
    »Ich dachte, Sie trinken lieber Feigentee?!«
    »Rote Bete sind ausgezeichnet, wenn Sie einen erhöhten Triglyzeridspiegel haben.« Er zeigte auf meine Tasse, in der noch Tee
     war. »Sie beide haben auch eine andere Sorte gewählt.«
    »Die wurde uns für langes Warten empfohlen«, setzte Vera in gleichem Ton fort.
    Er sah sie einen Augenblick schweigend an.
    »Sie haben viele Bücher in Ihrem Laden, Fräulein Gavrilović.«
    »So wie es sich für eine Buchhandlung auch gehört. Also – wird sie nun geschlossen?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Dafür gibt es keinen Grund.«
    »Sie haben nichts gefunden?«
    »Nichts, was so eine drastische Maßnahme erforderlich machte.«
    »Das heißt, es sind keine Terroristen im Spiel?«
    Hauptkommissar Milenković warf mir einen kurzen Blick zu.
    |121| »Jemand hat Sie unnötig in Angst versetzt.«
    »Und was machen wir mit den plötzlichen Todesfällen?«
    »So etwas kommt vor.«
    »Aber so häufig? Und noch dazu ohne Anlass?«
    »Für den Tod gibt es immer einen Anlass. Man muss ihn nur finden. Wir arbeiten daran.«
    Vera hob die Teetasse. Erst als sie sie zum Mund führte, wurde ihr bewusst, dass sie leer war.
    »Wird noch mehr passieren?«
    »Wer kann schon die Zukunft voraussagen?«
    »Und wenn doch?«
    »Dann sehen wir uns wieder.«
    Der Alte kam und brachte auf einem Tablett eine kleine Teekanne und eine Tasse. Er stellte alles vor Hauptkommissar Milenković
     ab und schenkte den Tee ein.
    »Warten, Herr, nicht trinken heiß. Heiß nicht gut für Blut.« »Ich weiß. Danke.«
    Er nahm das Löffelchen, begann schweigend den Tee umzurühren und wartete, bis sich der Besitzer der Teestube entfernt hatte.
    »Möchten Sie vielleicht von dem Rote-Bete-Tee probieren?«, bot er Vera an, wobei er auf seine Tasse wies.
    »Nein, danke. Meine Triglyzeridwerte sind in Ordnung.«
    »Seien Sie froh! Ich möchte Sie gern etwas fragen. In die Buchhandlung kommen manchmal Leute, die sich merkwürdig benehmen,
     nicht wahr?«
    »Sonderbar?«
    »Ja. Da gibt es verschiedene. Einer interessiert mich besonders. Statt Bücher zu kaufen, hinterlässt er seine eigenen. Wissen
     Sie, wen ich meine?«
    Vera antwortete nicht sofort. Eine Zeit lang sah sie zu, wie der Löffel in der Tasse des Hauptkommissars kreiste.
    Als sie endlich zu reden begann, klang ihre Stimme gedämpft. »Ich weiß.«
    |122| »Können Sie mir etwas über ihn sagen? Wie heißt er? Was arbeitet er? Wo können wir ihn finden?«
    »Ich vermeide jeden persönlichen Kontakt mit den Kunden. Besonders mit solchen, die sich sonderbar benehmen.«
    »Das trifft offenbar nicht immer zu. Es war Ihnen nicht unbekannt, wie die letzte Person, die verstarb, hieß und womit sie
     sich beschäftigt hat. Frau Stojanović, Kustodin. Auch sie benahm sich sonderbar. Sie stellte die Bücher im Regal um nach ihrem
     Gutdünken. Nicht wahr, Kommissar Lukić?«
    Wir sahen uns direkt in die Augen, bis Vera wieder das Wort ergriff.
    »Frau Stojanović war eine Ausnahme. Kunden mit sonderbarem Benehmen pflegen sich nicht vorzustellen. Ganz im Gegenteil. Jedenfalls
     hat der Herr, der seine eigenen Bücher bringt, das nicht getan. Ich weiß nichts über ihn.«
    »Bitte melden Sie sich auf jeden Fall, wenn er wieder auftaucht. Hier ist meine Telefonnummer.«
    Aus seiner Innentasche zog er Notizblock und Stift und notierte eine Nummer, dann riss er das Blatt heraus und reichte es
     Vera.
    »Müssen wir uns vor ihm in Acht nehmen? Ist er gefährlich?«
    »Das wird er nicht sein, wenn Sie es mir melden, sobald er erscheint.«
    »Das werde ich tun.«
    Der Hauptkommissar hörte auf, seinen Tee umzurühren, nahm einen kräftigen Schluck und verzog dabei das Gesicht zu einer Grimasse.
    »Er schmeckt grässlich, aber er ist sehr gesund.« Er stellte die Tasse ab. »Hat das
letzte Buch
für Sie eine Bedeutung?«
    Vera sah mich an, ehe sie mit einer Frage erwiderte.
    »Welches
letzte Buch

    Auch der Hauptkommissar wandte seinen Kopf kurz in meine Richtung.
    |123| »Alle wundern sich, wenn sie davon hören …«
    »Wovon?«, fragte Vera. »Ich verstehe Sie nicht.«
    »Ich möchte Sie bitten aufzupassen, wenn jemand das
letzte Buch
erwähnt. Es könnte wichtig sein.«
    »Soll ich Ihnen auch das melden?«
    »Ich wäre Ihnen dankbar dafür.«
    »Bin ich nun zur Spionin der Geheimpolizei avanciert?«
    »Sie können nicht erwarten, dass die Polizei Ihnen hilft, wenn Sie nicht mit ihr zusammenarbeiten.

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