Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das letzte Buch

Das letzte Buch

Titel: Das letzte Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Zivkovic
Vom Netzwerk:
Hauptkommissar Milenković informiert? Er könnte seine Leute dorthin schicken, damit sie es suchen.«
    »Es war nicht nötig, ihn zu benachrichtigen«, erwiderte |129| ich, während auch ich das Besteck hinlegte. »Er weiß vom Tod der Frau Stojanović und hat wahrscheinlich längst seine Leute
     in ihre Wohnung geschickt. Jedenfalls, wenn das Buch dort ist, kann es niemandem weiter schaden. Gefahr lauert von anderer
     Seite.«
    Die Kellnerin kam und räumte die Teller ab.
    »Möchten Sie einen Kaffee?«, bot sie piepsend an.
    Ich schaute auf die Uhr, dann zu Vera. Sie schüttelte den Kopf.
    »Nein, danke. Bitte die Rechnung.«
    »Von welcher Seite?«, fragte Vera, als sich die Kellnerin entfernt hatte.
    »Wer auch immer das Buch vergiftet hat – ein Terrorist, ein Serienmörder oder sonst jemand –, wird sehen, dass es nicht mehr im Regal ist. Was wird er dann tun?«
    Vera hatte keine Zeit zu antworten, denn wieder kam die Kellnerin und stellte das Tablett mit der Rechnung vor mich hin. Ich
     schaute auf die Summe, zog mein Portemonnaie heraus und gab ihr mit einem Wink des Kopfes zu verstehen, dass ich kein Wechselgeld
     erwartete. Sie dankte mit einem Lächeln, bei dem ihre Flaumhärchen zitterten.
    »Er wird möglicherweise irgendein anderes Buch in unserem Geschäft vergiften«, sagte Vera leise, als wir wieder allein waren.
    »Das ist wenig wahrscheinlich. Er muss damit rechnen, dass euer Laden überwacht wird. Selbst wenn du und Olga ihn nicht bemerkt,
     so wird er doch von denen bemerkt werden, die die Buchhandlung per Videokamera im Auge haben.«
    »Aber wie sonst?«
    »Es ist nicht nötig, dass er sich der Gefahr aussetzt und ein Buch vor Ort vergiftet. Er wird ein neues vergiftetes Buch bringen.«
    »Man wird ihn sehen, wenn er es ins Regal stellt.«
    |130| »Nicht unbedingt. So etwas kann man auch unbemerkt tun. Hast du mir nicht gesagt, einem eurer Patienten gelingt das immer
     heimlich, obwohl ihr ihn genau beobachtet? Nebenbei gesagt, weißt du wirklich nicht, wer er ist?«
    Vera warf mir einen verwunderten Blick zu.
    »Nein, wirklich nicht. Ich hätte nicht gewagt, den Hauptkommissar anzulügen. Und warum sollte ich auch?«
    »Ich habe gehofft, du wärest auf meiner Seite.«
    »Natürlich bin ich auf deiner Seite. Aber ich habe nicht geahnt, dass dazu auch das Anlügen der Polizei gehört.«
    »Ich bin auch die Polizei.«
    Sie seufzte.
    »Damit ich kein Opfer eurer verzwickten Beziehungen werde, wäre es gut, wenn du mir in Zukunft sagtest, wie ich mich verhalten
     soll. Dann kann ich leichter auf deiner Seite sein.«
    »Wenn dieser Patient wieder auftaucht, dann bitte ich dich, gib zuerst mir Bescheid.«
    »Aber der Hauptkommissar …?«
    »Du meldest es dem Hauptkommissar ebenfalls. Ein bisschen später. Damit tust du nichts Unrechtes.«
    Sie sah mich eine Weile wortlos an, dann nickte sie.
    »Obwohl das freilich nicht unbedingt nötig sein wird«, fuhr ich fort.
    »Wieso?«, fragte sie unsicher.
    »Bestimmt werden alle deine Telefone schon abgehört. So wie meine übrigens auch. Aber wir werden dem zuvorkommen! Selbst der
     Geheimdienst ist nicht allmächtig. Morgen werde ich zwei neue Handys kaufen. Die werden wir nur zu besonderen Anlässen benutzen.
     Für alles andere sprechen wir normal über die alten Telefone.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Wie kann ich normal sprechen, wenn ich weiß, dass ich abgehört werde?«
    |131| »Das ist nicht so schwer, wenn du weißt, dass sie wissen, dass du weißt, dass du abgehört wirst.«
    Sie hob abwehrend die Hände.
    »Das versuche ich gar nicht erst zu verstehen.«
    »Musst du auch nicht. Es reicht schon, wenn du dich normal verhältst, so als würden sie dich nicht abhören.«
    Wir sahen uns kurz an und schwiegen. Dann stand sie auf, und ich erhob mich ebenfalls.
    »Was ist das für ein
letztes Buch
, das der Hauptkommissar erwähnt hat?«, fragte sie, als ich ihr in den Mantel half.
    »Dafür haben wir jetzt keine Zeit. Aber ich werde dir alles sagen, was ich weiß, wenn ich heute Abend wieder zum Tee eingeladen
     werde. Feigentee, versteht sich, kein Algentee.«
    Sie lächelte und strich mir über die Wange.
    »Natürlich.«

|132| 23.
    Ich fuhr Vera zur Buchhandlung. Während der Fahrt redeten wir über das Wetter. Sie verhielt sich gekünstelt normal wie eine
     ungeschickte Schauspielerin. Es würde ihr nicht leichtfallen, die Beklemmung zu überwinden und sich damit zu arrangieren,
     dass sie abgehört wurde.
    Als sie die Tür aufgeschlossen

Weitere Kostenlose Bücher