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Das letzte Buch

Das letzte Buch

Titel: Das letzte Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Zivkovic
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mich vorwurfsvoll an. »Um zu beweisen, dass Sie schlauer sind als ich?«
    Ich steckte in der Zwickmühle. »Keinesfalls. Ich habe nur gedacht …«
    »Schon gut«, unterbrach sie mein Stottern. »Ich werde Sie bei nächster Gelegenheit anrufen. Dann werden wir ja sehen, wie
     findig Sie sind. Allerdings könnten Sie auch von Ihren Fähigkeiten als Detektiv enttäuscht werden. Aber Sie wären zumindest
     nicht der Einzige, der in dieser Buchhandlung nach dem verborgenen Sinn sucht.«
    »So?«
    »Unter unseren Patienten haben wir auch einen alten Mathematikprofessor. Er besucht uns ebenfalls regelmäßig, tut jedoch nichts
     heimlich. Er hat höflich um Erlaubnis gefragt, ob er forschen dürfe. Einmal hat er versucht, mir das Wesen dieser Forschung
     zu erklären, aber Mathematik war noch nie meine Stärke. Für mich ist schon eine Hypotenuse ein zu schwerer Begriff.«
    »Ich liebe Zahlen.«
    »Aber Sie haben Literatur studiert.«
    »Das ist gar nicht so abwegig, wie es Ihnen scheinen mag.«
    »Der Professor würde Ihnen jedenfalls zustimmen. Sein Notizbuch ist voller Zahlen und Symbole. Nach einem bestimmten Schlüssel
     zieht er Bücher aus dem Regal, blättert darin, bis er eine bestimmte Stelle findet, und dann macht er auf dem Taschenrechner
     irgendwelche Berechnungen. Das Ergebnis schreibt er auf, und dann macht er weiter. So geht das stundenlang. Er ist richtig
     besessen davon!«
    »Und kauft er dann ein Buch?«
    »Nein. Aber das ist auch nicht unbedingt nötig. Ihm gegenüber |21| bin ich nachgiebig, er ist ein netter Mensch. Für mich ist er wie das Maskottchen des ›Papyrus‹. Die Kunden schauen ihn an,
     weil er aussieht wie Einstein. Ziemlich klein, wirres graues Haar, dichter Schnauzbart. Außerdem ist er so herrlich zerstreut.
     Manchmal sind seine Schuhbänder nicht zugeschnürt oder sein Mantel ist verkehrt geknöpft. Einmal kam er sogar in Pantoffeln.
     Im Schnee!«
    »Ein Maskottchen bringt immer Vorteile mit sich.«
    »Sicherlich. Aber man kann nicht alles nach dem Vorteil messen. Auf den ersten Blick würde ich sagen, den größten Vorteil
     haben wir von einem Patienten, der das ganze Gegenteil von einem Dieb ist. Aber er bereitet uns die größten Kopfschmerzen.«
    »Das Gegenteil von einem Dieb?«
    »So ist es. Er stiehlt keine Bücher, sondern bringt welche. Obwohl wir ihn sehr genau beobachten, schafft er es immer, heimlich
     mindestens eines seiner Bücher ins Regal zu stellen.«
    »Und weshalb?«
    »Wer weiß das schon? Zuerst dachten wir, er will sich nutzloser Sachen entledigen, und diese Art schien ihm besser, als sie
     wegzuwerfen. Aber unter den Büchern, die er uns dagelassen hat, waren tatsächlich auch wertvolle Ausgaben. Er war aufgebracht,
     als wir versuchten, sie ihm zurückzugeben. Er hat behauptet, es wären nicht seine. Doch wir konnten sie natürlich nicht behalten,
     weil wir sie nicht legal erworben hatten. Immer, wenn er hier war, brauchen wir viel Zeit, um herauszufinden, was er uns gebracht
     hat.«
    Ich schaute mich in der menschenleeren Buchhandlung um.
    »Das Aussehen kann ja täuschen. Als ich gestern zum ersten Mal hier war, kam mir dieser Ort harmlos vor.«
    »Unser Laden ist keine Ausnahme. Jede Buchhandlung hat ihre Patienten. Und seien sie auch noch so absonderlich, im Grunde
     sind sie doch harmlos. Es wäre nicht nötig gewesen, noch einmal herzukommen.«
    |22| »Weshalb denken Sie, ich sei dienstlich hier?«
    »Weil man nicht kurz vor Schließung in eine Buchhandlung kommt, wenn es nicht dienstlich ist. Außer, Sie sind wegen des Buches
     da, das ich im Verdacht habe.«
    Sie wies auf den Band, den ich noch in der Hand hielt.
    Ich setzte eine reuige Miene auf, ging zu dem Regal, dem ich das Buch entnommen hatte, und stellte es an seinen Platz zurück.
    »Ich wollte sehen, ob die Nachricht über den gestrigen Vorfall, den die Klatschpresse veröffentlicht hat, böse Folgen hatte.«
    »Ach, keineswegs! Wider Erwarten hatten wir wesentlich mehr Besucher als sonst. Die Welt, in der wir leben, ist nicht nur
     gleichgültig, sondern auch verdorben. Der Tod ist offenbar immer noch die beste Reklame. Ein Zyniker könnte wünschen, dass
     es so weitergeht.«
    Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr.
    »Es ist gleich halb neun. Entschuldigen Sie, dass ich Sie so lange aufgehalten habe. Würden Sie mir noch sagen, ob Sie vielleicht
     in Verbindung mit dem Herrn, der gestern Abend gestorben ist, etwas Ungewöhnliches bemerkt haben?«
    »Etwas

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