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Das letzte Buch

Das letzte Buch

Titel: Das letzte Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoran Zivkovic
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wissen wir zumindest, wie es aussieht.«
    »Vielleicht wechseln sie den Einband. Gerade deshalb, weil wir wissen, dass er blau ist.«
    »Ein Buch kann nicht ohne Weiteres seinen Einband wechseln.«
    »Vieles, was nicht sein kann, ist hier schon passiert.«
    »Aber was soll ich dann tun?«
    Ich blickte eine Weile in die leere Tasse vor mir.
    »Ich weiß nicht, was ich dir Gescheiteres sagen soll, außer dass du aufpasst und das Buch nicht öffnest. Das
letzte Buch
wird erst gefährlich, wenn es aufgeschlagen ist.«
    »Aber wie soll ich ein Buch nicht öffnen? Ich bin doch Buchhändlerin!«
    »Es wird dir nicht leichtfallen. Du musst erfinderisch sein. Wenn du glaubst, es sei unmöglich – es gibt doch immer noch eine
     Möglichkeit!«
    »Welche?«
    |161| »Schließe zeitweilig deine Buchhandlung.«
    Vera schüttelte rasch den Kopf.
    »Ich kann den Laden nicht schließen.«
    »Ich weiß. Außerdem zweifle ich daran, dass sich dadurch das Problem lösen würde. Jemand hatte einen Grund, das
letzte Buch
ausgerechnet mit deiner Buchhandlung in Verbindung zu bringen. Es würde dort warten, bis du das Geschäft wieder öffnest, und
     weitermachen, was es begonnen hat.«
    Vera senkte den Blick.
    »Das ist nicht gerade ermutigend.«
    Ich streckte die Hand über den Tisch aus und legte sie auf ihre. »Es kommt schon wieder alles in Ordnung.«
    »Wie kannst du das wissen?«, fragte sie leise.
    »Intuition«, erwiderte ich, ebenfalls mit gedämpfter Stimme. »Sie hat mich noch nie getrogen.«
    »Ich würde mich gern an etwas halten, was man besser begreifen kann.«
    »Das einzige ›Begreifbare‹, was ich dir augenblicklich anbieten kann, ist ein neues Handy, das nicht abgehört wird. Wir werden
     ins nächstbeste Geschäft gehen und zwei Stück kaufen. Wenn du irgendetwas Ungewöhnliches bemerkst, dann unternimm gar nichts.
     Melde es mir sofort. Schick mir eine SMS, wenn du nicht willst, dass andere hören, was du mir sagen möchtest.«

|162| 29.
    »Deine Sache wird immer aufregender«, sagte Kollege Petronijević mit gekünsteltem Lächeln, wobei er ein wenig das Boulevardblatt
     anhob, das er ausgebreitet vor sich hielt.
    »Wirklich?«, antwortete ich missmutig.
    »Nicht nur, dass es nun auch außerhalb der Buchhandlung Tote gibt, jetzt sind auch noch Geheimgesellschaften darin verwickelt.«
    »Sogar darüber haben sie etwas geschrieben? Wie haben sie es nur geschafft, so schnell davon zu erfahren? Lass mal sehen!«
    Er drehte die Zeitung zu mir hin. Auf der oberen Hälfte des Blattes zeigte ein großes Foto den Eisenzaun mit den Spitzen darauf,
     über denen sich gegen den Nachthimmel das Dach der Villa abzeichnete. Über dem ganzen Bild prangte in Kursivschrift:
Sekte tötet durch Buch!
    »Du darfst die Ermittlungsjournalistik nicht unterschätzen«, gab er zu bedenken.
    »Oder die gut unterrichteten Quellen«, entgegnete ich.
    »Es gibt keine besser unterrichteten Quellen als die, die an dem Fall arbeiten.«
    »Oder als die, die sie ausspionieren.«
    »Du bist in meinen Computer eingebrochen, aber nicht ich in deinen.«
    »Ich habe mich nur seiner bedient. Ich bin nicht in deine Dateien gegangen. Im Übrigen wäre ich nicht hineingekommen, |163| wenn du bei der Wahl deines Kennworts etwas schlauer gewesen wärest.«
    »Ich habe es geändert. Jetzt wirst du es nicht mehr so leicht haben.«
    »Glaubst du? Auf jeden Fall rechtfertigt die Sache mit dem Computer nicht, dass du mich gestern Abend beschattet hast.«
    Er drehte die Zeitung wieder zu sich um und vertiefte sich darin.
    »Du kannst jederzeit Anzeige erstatten, wenn du Beweise hast«, sagte er, ohne den Kopf zu heben.
    »Warum sollte ich? Mich stören gut informierte Quellen nicht. Aber ich bin nicht der Einzige, der an diesem Fall arbeitet.
     Ich fürchte, die andere Seite wird nicht mehr lange Verständnis für Ermittlungsjournalistik haben.«
    Er antwortete nichts, tat so, als läse er. Ich zog den Mantel aus, hängte ihn an den Haken und ging hinaus auf den Korridor.
    Als ich zum Büro des Oberkommissars ging, spürte ich, wie die Wirkung des Tees nachließ. Gern hätte ich noch eine Tasse davon
     getrunken. Doch ich konnte dieses Verlangen nach der Droge nicht befriedigen. Die Tüte mit den chinesischen Schriftzeichen
     hatte ich bei Vera gelassen.
    Ich klopfte an, wartete, bis mich der Chef hineinrief, und trat ein. Er stand am Aquarium und betrachtete es von oben.
    »Ach, Sie sind es. Schön, dass Sie kommen. Ich wollte Sie gerade rufen. Bitte sehr.«
    Wie

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