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Das Letzte Einhorn und Zwei Herzen

Titel: Das Letzte Einhorn und Zwei Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter S. Beagle
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und sie grasen schickte. Ich sammelte Feuerholz.
    Die Frau, Molly, erzählte mir, dass der König Lír hieß und dass sie ihn als ganz jungen Mann gekannt hatten, bevor er König geworden war. »Er ist ein wahrer Held«, sagte sie, »ein Drachentöter, ein Riesenbezwinger, ein Retter bedrängter Jungfrauen und Löser unlösbarer Rätsel. Er ist vielleicht sogar der größte aller Helden, weil er auch ein guter Mensch ist. Das sind sie nicht immer.«
    »Aber du wolltest nicht, dass ich mit zu ihm gehe«, sagte ich. »Warum nicht?«
    Molly seufzte. Wir saßen unter einem Baum und sahen zu, wie die Sonne unterging, und sie bürstete mir Zeug aus dem Haar. Sie sagte: »Jetzt ist er alt. Schmendrick hat Probleme mit der Zeit – warum, erzähle ich dir eines Tages, das ist eine lange Geschichte –, und er versteht nicht, dass Lír vielleicht nicht mehr der ist, der er war. Es könnte ein trauriges Wiedersehen werden.« Sie fing an, mir das Haar um den Kopf zu flechten, damit es aus dem Weg war. »Ich hatte bei dieser Reise von Anfang an ein ungutes Gefühl, Sooz. Aber er hat sich in den Kopf gesetzt, dass Lír uns braucht, also sind wir jetzt hier. Man kann nicht mit ihm debattieren, wenn er so ist.«
    »Eine gute Ehefrau hat nicht mit ihrem Mann zu debattieren«, sagte ich. »Meine Mutter sagt, man wartet, bis er aus dem Haus ist oder schläft, und macht dann, was man will.«
    Molly lachte, dieses tönende, lustige Lachen, das sie hat, wie ein tiefes Glucksen. »Sooz, ich kenne dich erst ein paar Stunden, aber ich würde jeden Penny, den ich im Moment besitze – und auch Schmendricks ganzes Geld – darauf verwetten, dass du mit dem Mann, den du mal heiratest, schon in der Hochzeitsnacht debattieren wirst. Außerdem sind wir nicht verheiratet, Schmendrick und ich. Wir sind zusammen, weiter nichts. Wir sind schon ganz schön lange zusammen.«
    »Oh«, sagte ich. Ich kannte keine Leute, die einfach zusammen waren, nicht so, wie sie es sagte. »Aber ihr wirkt verheiratet. Irgendwie.«
    Mollys Gesicht blieb unverändert, aber sie legte den Arm um mich und zog mich kurz an sich. Sie flüsterte mir ins Ohr: »Ich würde ihn nicht heiraten, und wenn er der letzte Mann auf der Welt wäre. Er isst im Bett wilde Rettiche. Knurps, knurps, knurps, die ganze Nacht – knurps, knurps, knurps.« Ich kicherte, und der große Mann, der gerade am Bach einen Topf spülte, guckte zu uns rüber. Das letzte Sonnenlicht lag auf ihm, und diese grünen Augen leuchteten wie ganz junge Blätter. Eins zwinkerte mir zu, und ich fühlte es, so wie man einen winzigen Lufthauch auf der Haut fühlt, wenn es heiß ist. Dann scheuerte er wieder an dem Topf herum.
    »Werden wir lange brauchen bis zum König?«, fragte ich sie. »Ihr habt doch gesagt, er wohnt nicht so weit weg, und ich habe Angst, dass der Greif noch jemanden frisst, während ich weg bin. Ich muss nach Hause.«
    Molly war jetzt mit meinem Haar fertig und zog sachte meinen Hinterkopf runter, damit ich aufblickte und ihr in die Augen sah. Sie waren so grau, wie Schmendricks Augen grün waren, und ich wusste schon, dass sie je nach Mollys Stimmung dunkler oder heller grau wurden. »Was erwartest du dir davon, den König zu treffen, Sooz?«, fragte sie zurück. »Was hast du dir vorgestellt, als du dich auf den Weg zu ihm gemacht hast?«
    Ich war überrascht. »Na ja, ich werde ihn dazu bringen, dass er mit mir in mein Dorf kommt. All diese Ritter, die er schickt, richten überhaupt nichts aus, also muss er sich selbst um diesen Greif kümmern. Er ist der König. Das ist seine Aufgabe.«
    »Ja«, sagte Molly, aber so leise, dass ich es kaum hören konnte. Sie tätschelte mir kurz den Arm, ganz leicht, stand dann auf und ging davon, um sich allein ans Feuer zu setzen. Sie tat, als ob sie die Glut für die Nacht bedecken wollte, machte es aber nicht wirklich.
    Früh am nächsten Morgen brachen wir auf. Molly nahm mich eine Weile vor sich auf ihr Pferd, aber dann nahm mich Schmendrick die meiste Zeit auf seins, um den wunden Huf des anderen Pferds zu schonen. Er war bequemer zum Anlehnen, als ich gedacht hatte – knochig an manchen Stellen, schön nachgiebig an anderen. Er redete kaum, sang aber viel, während wir so dahinritten, manchmal in Sprachen, von denen ich kein Wort verstand, manchmal aber auch einfach erfundene, alberne Liedchen, um mich zum Lachen zu bringen. Eins ging so:

    Soozli, Soozli,
    Pfiffikusli,
    erheiterst mich bis in die Schuhsli.
    Soozli, Soozli,
    Magus-Musli,
    machst

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