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Das Letzte Einhorn und Zwei Herzen

Titel: Das Letzte Einhorn und Zwei Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter S. Beagle
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mich ganz konfusli-wusli.

    Zaubern tat er gar nicht, außer vielleicht einmal, als eine Krähe immer wieder dicht über das Pferd hinwegschoss – aus reiner Bosheit, da war nirgends ein Nest – und das arme Tier tänzelte und scheute und nervöse Sätze machte, dass ich fast runterfiel. Schließlich drehte sich Schmendrick im Sattel um und guckte die Krähe an, und im nächsten Moment stieß ein Falke aus dem Nichts herab und jagte die kreischende Krähe in einen Dornbusch, wohin er sie nicht mehr verfolgen konnte. Das war schon Zauber, glaube ich.
    Es war hübsches Land, durch das wir ritten, als wir erst mal auf der richtigen Straße waren. Bäume, Wiesen, sanfte kleine Täler, Hänge voller Wildblumen, die ich nicht kannte. Man sah, dass es hier viel mehr regnete als da, wo ich wohne. Das Gute an Schafen ist, dass sie keine richtigen Weiden brauchen wie Kühe. Sie kommen da zurecht, wo die Ziegen zurechtkommen, und Ziegen kommen überall zurecht. So halten wir’s bei uns im Dorf, weil es nicht anders geht. Aber das Land hier gefiel mir besser.
    Schmendrick erklärte mir, dass es nicht immer so war. »Vor Lír war das hier alles Ödland, wo nichts wuchs, Sooz – nichts. Es hieß, auf dem Land liege ein Fluch, und in gewisser Weise war es auch so, aber das erzähle ich dir ein andermal.« Das sagen die Leute immer, wenn man ein Kind ist, und ich kann es nicht ausstehen. »Aber Lír hat alles verändert. Das Land war so froh über ihn, dass es anfing zu grünen und zu blühen, sobald er König wurde, und es seither immerfort tut. Außer dem armen Hagsgate, aber auch das ist eine andere Geschichte.« Seine Stimme wurde schleppender und tiefer, als er von Hagsgate sprach, so als redete er gar nicht mit mir.
    Ich verrenkte den Hals, um ihn anzugucken. »Glaubst du, König Lír wird mit mir kommen und diesen Greif töten? Ich glaube, Molly glaubt nicht, dass er’s tut, weil er so alt ist.« Ich hatte gar nicht gewusst, dass mich das bedrückte, bis ich es aussprach.
    »Ach was, natürlich wird er mitkommen, Kind.« Schmendrick zwinkerte mir wieder zu. »Dem Flehen einer Jungfrau in Bedrängnis konnte er noch nie widerstehen, je schwieriger und gefährlicher die Aufgabe, desto besser. Wenn er nicht schon beim ersten Hilferuf selbst spornstreichs in euer Dorf geeilt ist, dann gewiss deshalb, weil er mit irgendeiner anderen Heldentat beschäftigt war. Ich bin mir ganz sicher, sobald du dein Anliegen vorbringst – vergiss nicht, einen ordentlichen Hofknicks zu machen –, wird er sein mächtiges Schwert und seine Lanze nehmen, dich vor sich in den Sattel heben und lossprengen gegen euren Greif, dass hinter ihm die Straße qualmt. Jung oder alt, so ist er nun mal.« Er wuschelte mir durchs Haar am Hinterkopf. »Molly macht sich zu viele Gedanken. So ist sie nun mal. Wir sind, wer wir sind.«
    »Was ist ein Hofknicks?«, fragte ich ihn. Inzwischen weiß ich es, weil Molly es mir gezeigt hat, aber damals wusste ich’s nicht. Er lachte nicht, außer mit den Augen, bedeutete mir dann mit einer Handbewegung, mich nach vorn zu drehen, und fing wieder an zu singen.

    Soozli, Soozli
    hab ich Dusli,
    und du wirst mein Schmusli-Gspusli?
    Soozli, Soozli,
    sonst, o Grusli,
    müsst verfallen ich dem Fusli.

    Ich erfuhr, dass der König, als er jung war, in einem Schloss auf einer Felsklippe am Meer gewohnt hatte, keine Tagesreise von Hagsgate, aber das Schloss war eingestürzt – wie, wollte mir Schmendrick nicht sagen – also hatte er woanders ein neues gebaut. Das fand ich schade, weil ich noch nie am Meer gewesen war und immer schon mal hingewollt hatte und es bis heute nicht gesehen habe. Aber ein Schloss hatte ich auch noch nie gesehen, also blieb mir immer noch das. Ich lehnte mich an seine Brust und schlief ein.
    Zuerst waren sie langsam geritten, um Mollys Pferd Zeit zu lassen, wieder gesund zu werden, doch als sein Huf geheilt war, ritten wir den Rest des Weges meistens im Galopp. Ihre Pferde sahen überhaupt nicht magisch oder sonstwie besonders aus, konnten aber stundenlang rennen, ohne müde zu werden, und wenn ich dann half, sie abzureiben und zu striegeln, schwitzten sie kaum. Sie schliefen auf der Seite wie Menschen, nicht im Stehen wie die Pferde bei uns.
    Auch so brauchten wir volle drei Tage bis zu König Lír. Molly sagte, er habe schlimme Erinnerungen an das eingestürzte Schloss, deshalb sei dieses hier so weit vom Meer entfernt und so anders als das alte wie nur möglich. Es stand auf einem Hügel, damit

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