Das letzte Einhorn
hinaus noch so viel mehr, dass ich zweifle, ob du solche Dinge auch nur träumen kannst. In seiner Zunft ist er bekannt als ›Der Zauberer der Zauberer‹. Ich kann beim besten Willen keinen Grund sehen, weshalb ich ihn durch einen namenlosen, lächerlichen fahrenden Zauberer ersetzen sollte.«
»Aber ich kann es!« fiel ihm Schmendrick verzweifelt ins Wort. »Ich kann mir einen Grund denken, den du selbst vor weniger als einer Minute genannt hast! Dieser wundervolle Mabruk macht dich nicht glücklich!«
Auf das grimmige Gesicht des Königs sank ein Schatten, ein Schatten aus Enttäuschung und Verrat. Einen Atemzug lang sah er wie ein verwirrter junger Mann aus. »Aber ja, das ist wahr«, murmelte er. »Mabruks Magie hat mich seit langem nicht mehr erheitert. Wie lange mag es wohl her sein?« Er klatschte laut in die Hände und rief: »Mabruk! Mabruk! Erscheine, Mabruk!«
»Ich bin hier«, sprach eine tiefe Stimme in einem Winkel des Raumes. Ein alter Mann in einem dunklen, glitzernden Gewand und mit einem spitzen, gleißenden Hut stand dort, und niemand hätte mit Sicherheit zu sagen vermocht, ob er nicht seit der Ankunft des Königs und seiner Besucher so dagestanden hatte. Bart und Brauen waren weiß, die Gesichtszüge mild und weise, die Augen aber hart wie Hagelschloßen. »Was wünscht Eure Majestät von mir?«
»Mabruk, dieser Herr hier ist von deiner Zunft. Sein Name ist Schmendrick.«
Des alten Zauberers eisige Augen weiteten sich ein wenig, als er den abgerissenen Mann musterte. »Wirklich und wahrhaftig!« rief er in scheinbarer Freude aus. »Schmendrick, mein lieber Junge, wie schön, dich hier zu sehen! Du wirst dich nicht an mich erinnern können, aber ich war ein lieber, guter Freund deines Lehrmeisters, des guten alten Nikos. Er setzte auf dich solche Hoffnungen, der arme Mann! Ist das aber eine Überraschung! Bist du wirklich immer noch im Gewerbe? Meine Güte, bist du ein hartnäckiger Bursche! Ich sage ja immer, Ausdauer macht neun Zehntel jeder Kunst – natürlich ist es nicht gerade sehr viel, neun Zehntel eines Künstlers zu sein. Was dich wohl hierherführen mag?«
»Er ist gekommen, um deinen Platz einzunehmen.« König Haggards Stimme klang ausdruckslos und endgültig. »Er ist mein neuer Hofzauberer.«
Schmendricks verwundertes Auffahren entging dem alten Mabruk nicht, obwohl er von der Entscheidung des Königs wenig überrascht zu sein schien. Eine Sekunde lang erwog er offensichtlich den Wert eines Wutausbruchs, doch dann schlug er einen Ton herzlicher Belustigung an. »Der Wunsch Eurer Majestät ist mir Befehl, jetzt und immerdar«, schnurrte er. »Doch vielleicht ist Eure Majestät daran interessiert, ein wenig über die Vergangenheit seines neuen Hofzauberers zu erfahren.
Ich bin sicher, dass der gute Schmendrick nichts dagegen hat, wenn ich erwähne, dass er in unserer Zunft schon so etwas wie eine Legende geworden ist. Unter die Adepten ist er bekannt als ›Nikos’ Narr‹. Seine entzückend(und vollkommene Unfähigkeit, selbst die einfachsten Zauberzeichen zu beherrschen, seine schöpferische Art, mit der kinderleichtesten Formel umzugehen, ganz zu schweigen von …«
König Haggard machte eine knappe Handbewegung. Mabruk verstummte augenblicklich, Prinz Lir kicherte, Der König sagte: »Von seiner Unfähigkeit brauche ich nicht überzeugt zu werden. Ein einziger Blick verrät sie mir, so wie mir ein einziger Blick sagt, dass du einer der großen Magier dieser Welt bist.« Mabruk blähte sich, strich seinen prächtigen Bart und zog die gütigen Brauen hoch. »Aber das bedeutet mir nichts«, fuhr der König fort. »In der Vergangenheit hast du jedes Wunder vollbracht, das ich von dir verlangte – doch hast du damit nur erreicht, dass ich den Geschmack an Wundern verloren habe. Für deine Kräfte ist keine Aufgabe zu groß – doch wenn das Wunder vollbracht, hat sich nichts geändert. Ich denke, große Macht kann mir nicht geben, was immer ich mir wirklich wünsche. Ein Meistermagier hat mich nicht glücklich gemacht, ich will sehen, was ein unfähiger zustande bringt. Du kannst gehen, Mabruk.« Er entließ den alten Zauberer mit einem Kopfnicken.
Mabruks Maske der Freundlichkeit schwand wie ein Funke, der auf Schnee fällt, und mit demselben Geräusch. Sein ganzes Gesicht ward wie seine Augen. »So leicht jagt man mich nicht davon«, sagte er sanft, »nicht aus einer Laune heraus, und sei es eines Königs Laune, und nicht um eines Narren willen. Hüte dich, Haggard!
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