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Das letzte Einhorn

Das letzte Einhorn

Titel: Das letzte Einhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter S. Beagle
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Handwerk, wie jedes andere auch, wie Weben, Brauen und Backen. Und genau wie diese hat es seine Kunstgriffe, Fertigkeiten und Schliche. Es gibt Mittel und Wege, um Hexen hinters Licht zu führen und vergiftete Flüsse zu erkennen; alle Drachen haben eine ungepanzerte Stelle, alle vermummten Fremden geben dem Suchenden bestimmte Rätsel auf. Doch das Geheimnis, ein Held zu –sein, liegt in dem Wissen von der Ordnung der Dinge. Der Schweinehirt- kann nicht schon zu Beginn seiner Abenteuer die Prinzessin heiraten, Hänsel nicht an die Tür des Hexenhauses pochen, wenn die Hexe verreist ist. Der böse Oheim kann nicht entdeckt und unschädlich gemacht werden, bevor er etwas Böses getan hat. Die Dinge müssen geschehen, wenn die Zeit dafür reif ist. Weissagungen dürfen nicht wie ungepflückte Früchte verderben, Fahrten und Fahndungen nicht einfach abgebrochen werden. Einhörner dürfen lange Zeit unerrettet bleiben – aber nicht für immer. Der glückliche Ausgang einer Geschichte darf nicht schon in deren Mitte stattfinden.«
    Die Lady Amalthea gab ihm keine Antwort.
    Schmendrick fragte: »Warum nicht? Wer sagt denn das?«
    »Helden«, erwiderte Prinz Lir melancholisch, »Helden wissen Bescheid mit der Ordnung und dem Ablauf von Geschichten, und vor allem mit dem glücklichen Ende. Helden wissen, dass einige Dinge besser als andere sind. Zimmerleute kennen sich aus mit Maserungen, Schindeln und Richtschnüren.« Er streckte seine Hände nach der Lady Amalthea aus und trat einen Schritt auf sie zu. Sie wich nicht zurück, wandte nicht ihr Gesicht. Sie hob den Kopf, und Prinz Lir schlug die Augen nieder.
    »Du bist es gewesen, die mich das gelehrt hat«, sagte er. »Ich habe dich kein einziges Mal angeblickt, ohne die süße Harmonie zu sehen, die die Welt zusammenhält, oder den Gram über ihre Verwüstung. Ich bin ein Held geworden, um dir zu dienen ’dir und allem, das so ist wie du. Und auch, um zu lernen, wie man eine Konversation beginnt.« Die Lady Amalthea blieb stumm.
    Kalkige Helle breitete sich in der Höhle aus. Sie konnten einander deutlich sehen, jeder gespenstisch weiß und talgig vor Furcht, Sogar die Schönheit der Lady Amalthea zerfiel unter diesem stumpfen, zehrenden Licht. Sie sah hinfälliger aus als irgendeiner der anderen.
    »Der Stier!« sagte Prinz Lir, Er drehte sich um und ging mit den kühlen, entschlossenen Schritten eines Ithea folgte Helden den Gang hinunter. Die Lady Ama ihm, ging so leicht und stolz, wie man es Prinzessinnen meist vergeblich – beizubringen versucht. Molly Grue hielt sich dicht an den Zauberer, fasste ihn bei der Hand, so wie sie früher das Einhorn berührt hatte, wenn Einsamkeit oder Furcht sie überfielen. Er lächelte auf sie herab und schien sehr mit sich zufrieden. Molly sagte: »Lass sie, wie sie ist. Lass sie.«
    »Das musst du Lir sagen«, erwiderte er vergnügt. »Hab’ ich gesagt, Ordnung sei alles? Hab’ ich gesagt, sie müsse den Stier zum Kampf herausfordern, weil es so Vorschrift ist? Mir liegt nichts an geregelten Rettungen und amtlich-glücklichem Ende. Das ist Lir!«
    »Aber du hast ihn dazu gebracht«, sagte sie. »Du weißt, das einzige, was er will, ist, dass sie ihre Suche aufgibt und bei ihm bleibt. Und das hätte er auch getan, wenn du ihn nicht daran erinnert hättest, dass er ein Held ist; jetzt muss er tun, was alle Helden tun. Er liebt sie, und du hast ihn reingelegt.«
    »Nie!« antwortete Schmendrick. »Sei still, sonst hört er dich.« Molly fühlte, wie ihr zunehmend schwindlig ward, so benommen machte sie die Nähe des Stieres. Licht und Gestank flossen zusammen in ein klebriges Meer, in dem sie nun wie die Einhörner dümpelte, ewig und ohne Hoffnung. Der Weg senkte sich dem heller werdenden Licht zu. Da vorne schritten Prinz Lir und die Lady Amalthea ihrem Verhängnis entgegen, so ruhig wie herabbrennende Kerzen. Molly Grue kicherte, »Ich weiß auch, warum du’s getan hast. Du kannst nicht sterblich werden, bevor du sie wieder in ein Einhorn verwandelt hast. Dir ist es egal, was aus ihr wird, oder aus den anderen, wenn du nur endlich ein richtiger Zauberer wirst. Ist es nicht so? Aber du wirst nie ein richtiger Zauberer sein, selbst wenn du diesen Ochsen in einen Ochsenfrosch verwandelst! Denn wenn du es tust, dann ist es nur ein Trick, und nichts weiter. Dich interessiert doch nichts als deine Magie, und was für ein Magier wäre das! Schmendrick, mir ist so schlecht. Ich muss mich ein wenig setzen.« Schmendrick musste sie

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