Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das letzte Einhorn

Das letzte Einhorn

Titel: Das letzte Einhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter S. Beagle
Vom Netzwerk:
Geschick, berichtete vom Untergang der Mitternachtsmenagerie und von seiner Flucht mit dein Einhorn, vom Zusammentreffen mit Molly Grue, von ihrer Wanderung nach Hagsgate, und vergaß auch nicht die Geschichte Drinns von dem zweifachen Fluch auf Stadt und Schloss. Dann schwieg er, denn jenseits lag die Nacht des Roten Stieres, eine Nacht, die im Guten wie im Bösen magisch enden würde – und mit einem nackten Mädchen, das im eigenen Körper kämpfte wie eine Kuh im Treibsand. Schmendrick hoffte, den Prinzen interessiere die eigene heldische Geburt mehr als die Herkunft der Lady Amalthea.
    Prinz Lir staunte argwöhnisch – ein schwieriges Kunststück – und sagte: »Ich wusste seit langem, dass der König nicht mein leiblicher Vater ist. Dennoch setzte ich alles daran, ihm ein guter Sohn zu sein. Ich bin der Feind all derer, die sich gegen ihn verschwören, und es braucht mehr als das Funkeln einer Krone, um mich auf seinen Sturz sinnen zu lassen. Was Einhörner betrifft, so bin ich sicher, dass es keine mehr gibt. Und ich weiß, dass König Haggard niemals eines gesehen hat. Wie könnte ein Mensch so traurig und freudlos wie König Haggard sein, wenn er auch nur einmal in seinem Leben ein Einhorn gesehen hätte! Ganz zu schweigen von Tausenden bei jeder Flut. Und wenn ich sie nur ein einziges Mal gesehen und nimmer wieder …« Verwirrt verstummte er, denn er spürte, dass seine Worte zu einem Leid hinführten, von dem es keine Rückkehr gab. Mollys Nacken und Schultern lauschten gebannt, doch wenn die Lady Amalthea den beiden Männern zuhörte, so ließ sie es sich in keiner Weise anmerken.
    »Hat der König nicht irgendwo in seinem Leben eine verborgene Freude?« forschte Schmendrick. »Hast du nie eine Spur davon bemerkt, wirklich nie einen Schimmer dieser Freude in seinen Augen gesehen? Ich habe es. Denk drüber nach, Prinz Lir.« Der Prinz schwieg, und sie schlängelten sich tiefer hinein in die widrige Finsternis. Manchmal konnten sie nicht unterscheiden, ob sie bergauf oder bergab gingen, ob der Weg um eine Biegung führte, bis die Rauheit eines Steines an ihren Schultern zu einem schmerzlichen Schlag gegen die Wange ward. Von dem Stier war nicht das geringste Geräusch, nicht ein Schimmer seines verderblichen Lichtes zu bemerken. Doch als Schmendrick sein beschlagenes Gesicht abwischte, blieb der Geruch des Stieres an seinen Fingern hangen.
    Prinz Lir sagte: »Manchmal, wenn er vom Turm herunterkommt, liegt etwas auf seinem Gesicht. Nicht gerade ein Leuchten, aber eine Helligkeit. Da fällt mir ein: Als ich klein war, sah er niemals so aus, weder wenn er mich anblickte, noch wenn er etwas anderes betrachtete. Und ich hatte einen Traum.« Er ging sehr langsam und schlurfend. »Den gleichen Traum, ohne Unterlass, In dem Traum stand ich mitten in der Nacht am Fenster und sah den Roten Stier, sah den Roten Stier …«
    »Sah den Roten Stier die Einhörner ins Meer treiben«, sagte Schmendrick. »Es war kein Traum. Haggard hat es fertiggebracht, dass sie zu seinem Vergnügen mit jeder Flut herein- und mit jeder Ebbe wieder hinaustreiben, alle, außer einem.« Er holte tief Luft. »Und dieses eine ist die Lady Amalthea.«
    »Ja«, erwiderte Prinz Lir, »ja, ich weiß.« Schmendrick starrte ihn an. »Was soll das heißen, ich weiß?« wollte er aufgebracht wissen. »Wie solltest du wissen, dass die Lady Amalthea ein Einhorn ist? Sie kann es dir nicht gesagt haben. denn sie weiß es selbst nicht mehr. Seitdem sie nur noch dich im Kopf hat, will sie doch nichts als eine Frau sein.« Er wusste recht wohl, dass es in Wahrheit genau umgekehrt war, doch in diesem Moment war ihm das gleichgültig. »Woher weißt du es?« fragte er wieder.
    Prinz Lir blieb stehen und sah ihn an. Im Dunkeln seiner Augen wahrnehmen. konnte Schmendrick nur das kühle milchige Schimmern.
    »Ich wusste bis zu diesem Augenblick nicht, was sie gewesen ist«, sprach er. »Doch als ich sie zum ersten Mal erblickte, da wusste ich schon, dass sie mehr war, als ich zu sehen vermochte. Einhorn, Zauberin, Fee oder Nixe, kein Name, den du ihr gibst, könnte mich überraschen oder ängstigen. Ich liebe, wen ich liebe.«
    »Das ist ein sehr nettes Gefühl«, meinte Schmendrick, »doch wenn ich ihr die ursprüngliche Gestalt zurückgebe, damit sie mit dem Roten Stier kämpfen und ihre Gefährten- befreien kann …«
    »Ich liebe, wen ich liebe«, wiederholte Prinz Lir standhaft. »Du hast keine Macht über wichtige Dinge.«
    Bevor der Zauberer antworten

Weitere Kostenlose Bücher