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Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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obere Bild, sondern auch das untere bis zum Holzgrund ab.
    Nach und nach taucht unter dem Schleifsand und dem mittlerweile indigoblauen Lappen ein anderes Bild auf. Das Mandylion, wie Prospero es mir anhand der Skizze aus dem Geheimarchiv des Vatikans beschrieben hat. Und wie ich es in der Kapelle des Blachernen-Palastes während des Besuches mit Konstantin in mein Notizbuch skizziert habe.
    Die Ikone zeigt das schwach sepiafarbene Antlitz Jesu Christi auf einem elfenbeinfarbenen Linnen, das von einem byzantinischen Kaiser mit Purpurornat und Krone an zwei Ecken in die Höhe gehalten wird.
    Fragen über Fragen.
    Woher stammt diese Ikone? Von der Insel Chios? Wieso habe ich sie übermalt? Um Galcerán zu verwirren? Ist dieses Ikonenpalimpsest eine Schatzkarte?
    Denk nach!
    Also: Die Ikone zeigt das Mandylion. Sie wurde mit der Szene des Verrats durch Judas übermalt. Interessanterweise, bevor Galcerán seinen Verrat an mir begangen hat. Denn danach bin ich gestorben und wiederauferstanden von den Toten.
    Ich muss tief durchatmen, um mich zu beruhigen.
    Ist dieses Ikonenpalimpsest eine verborgene Schatzkarte, die zum Mandylion führt?
    Wohl kaum: Wer einen Schatz versteckt, zeichnet doch keine Schatzkarte, damit er gefunden wird. Es sei denn …
    … es sei denn, er rechnet damit, dass er verraten wird und dass er einen erbitterten Kampf um den Schatz vielleicht nicht überlebt.
    Dio mio! Diese Schatzkarte ist gar nicht für mich bestimmt, auch nicht für Galcerán oder Jibril, sondern für jemanden, der mich in dieser Abtei sucht, weil ihm ein Schäfer berichtet hat, dass er mich lebend gesehen hat. Der mich nur noch tot findet. Und der meine Gedanken so genau kennt, dass er die rätselhafte Karte entschlüsseln kann.
    Prospero.
    Und der zerbrochene Schlüssel mit der kleinen Karte der Abtei im hohlen Schaft? Das Kreuz verweist auf die Einsiedlergrotte – nicht auf das Versteck des Mandylions, wie ich zunächst angenommen habe, sondern auf die lederne Dokumentenmappe mit meinen Geleitschreiben. Prospero kennt die Namen, unter denen ich reise. Mein Cousin wird die richtigen Schlüsse ziehen, selbst wenn er meinen Leichnam nicht findet, weil er längst verscharrt ist.
    Ein Spiel nach meinen Regeln! Wenn ich diese Regeln doch nur verstehen könnte!
    Die Ikone zeigt auf der unteren Malschicht das Mandylion als Tuch. Und auf der oberen die Nacht des Verrats, in der das Linnen entstand, als Jesus sein Gesicht ins Tuch drückte.
    Aber wie verweist diese Ikone auf das Versteck des Mandylions?
    Ich starre das Bild an. Dann lasse ich meinen Blick über die Tiegel mit Farbpigmenten und Leim, über die Pinsel und Spachtel, über den Blattgoldflitter und den indigofarbenen Schleifsand gleiten.
    Ich bin ratlos. Habe ich eine verborgene Botschaft in der oberen Malschicht übersehen, die ich nun zerstört habe? Oder liegt der Hinweis in der Abbildung des Mandylions in den Händen des Kaisers verborgen?
    Ich starre auf die Ikone, bis mir die Augen tränen. Aber ich kann nichts erkennen.
    Ich habe etwas übersehen, etwas Wichtiges und Entscheidendes. Etwas, das mit dem hohlen Schlüssel in Zusammenhang steht? Oder etwas, das mit dieser Ikone zu tun hat?
    Ich muss etwas übersehen haben.
    Aber was?

Kapitel 100
    In der Zelle des Abtes
22. Dezember 1453
Gegen elf Uhr nachts
    Todmüde klappe ich das Notizbuch zu, stecke den Silberstift wieder in den Buchrücken und schiebe meinen gefalteten Abschiedsbrief und das darin eingeklappte Testament zwischen die Seiten.
    Auch die Niederschrift meiner Gedanken über die Ikone als Schatzkarte hat mir keine neuen Erkenntnisse über das Versteck des Mandylions gebracht.
    Ich richte mich auf und recke meine verspannten Glieder, die schmerzen von der Kälte in der Zelle des Abtes. Der Kamin ist schon seit Stunden erloschen, und ich friere erbärmlich. Ich habe keinen Hinweis gefunden, wohin Prospero und Vittorio verschwunden sein könnten, keine Spuren im Schnee, nichts.
    Wie spät ist es? Wie lange sind die beiden schon fort?
    Den Gedanken, ins Bett zu kriechen und mir die Decke über den Kopf zu ziehen, verwerfe ich schnell. Ich brauche endlich etwas zu essen und zu trinken, und ich muss mich aufwärmen.
    Ein heißes Bad, unten in der Küche? Warum eigentlich nicht?
    Wahrscheinlich muss ich erst einmal Holz hacken.
    Ich lege mein Notizbuch mit den Briefen auf den Tisch und gehe hinunter in die Küche, um die Axt zu holen, die dort an der Wand hängt.
    Die Kerze wird mir nichts nützen im

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