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Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Schneesturm, daher lasse ich sie auf dem Küchentisch zurück. Dann entriegele ich das Portal. Ich lasse es offen, nachdem ich mit hochgezogenen Schultern in die Nacht hinausgetreten bin. Ich weiß, dass das Brennholz in einer Hütte hinter dem Stall lagert. Letzte Nacht bin ich daran vorbeigelaufen, als ich nach Federico suchte.
    Der böige Wind erfasst meine Haare, wirbelt sie hoch und peitscht sie mir ins Gesicht, als ich um den Stall herumstapfe und mit ausgestreckter Hand an der Mauer entlangtaste.
    In der Nähe heult ein Wolf.
    Da ist der Schuppen mit dem Holz.
    Mit gesenktem Kopf stemme ich mich gegen den Wind und gehe auf die offene Tür zu, die immer wieder gegen die Bretterwand knallt. Ich zögere. Irgendetwas stimmt nicht.
    War die Tür vorhin, als ich Prospero und Vittorio suchte, nicht fest verschlossen? Ich kann mich nicht genau erinnern.
    Komm schon, Sandra! Es ist kalt hier draußen!
    Meine Finger schließen sich um den Griff der Axt, während ich langsam auf den Schuppen zugehe. An der Tür bleibe ich stehen und starre in die undurchdringliche Finsternis. Nichts zu sehen. Mit ausgestrecktem Arm taste ich mich vorwärts. Ich kann nichts fühlen. Wo ist das Holz?
    Ich strecke meine Hand noch weiter aus. Plötzlich fühle ich etwas Kaltes, Hartes, Feuchtes.
    Erschrocken ziehe ich die Finger zurück. Etwas Gefrorenes klebt an den Fingerspitzen. Ich reibe sie aneinander. Was ist das? Das ist doch kein Harz vom Holz, oder doch?
    Wenn ich doch nur eine Kerze hätte!
    Geh weiter, Sandra, einen Schritt noch!
    Ja, da ist ein Stapel mit aufgeschichteten Scheiten, die Kanten scharf und gesplittert, die Seiten rau. Ich taste höher, zum oberen Ende des Stapels, der mir bis zur Schulter reicht. Gott sei Dank, es sind noch genügend Scheite vorhanden, sodass ich nicht erst Holz hacken muss.
    Ich stecke mir die Axt in den Gürtel und hole sechs Holzscheite vom Stapel herunter. Mehr kann ich nicht tragen und mit dem Kinn festhalten. Die schweren Scheite vor die Brust gepresst, drehe ich mich um und gehe langsam zurück.
    Plötzlich stolpere ich.
    Was ist das?
    Ich haste zurück zur Tür und lasse die Holzscheite in den Schnee fallen, dann gehe ich mit der Axt in der Hand zurück in den Schuppen. Ich knie mich auf den Boden und taste über den Boden. Holzspäne … Sägemehl … und …
    … ein Stiefel?
    Ich taste weiter. Eine Hose, ein Gürtel, eine Jacke …
    Ein Toter!
    Schaudernd packe ich den Körper, der teilweise schon hart gefroren ist, bei den Schultern, schleife ihn aus dem Schuppen und lasse ihn neben den Holzscheiten in den Schnee gleiten.
    Mit einer Handvoll Schnee wische ich das gefrorene Blut aus dem Gesicht. Die Lippen sind wie zu einem stummen Schrei geöffnet, die Lider sind an den Augäpfeln festgefroren.
    Mir bleibt das Herz stehen.
    Es ist Vittorio.

Kapitel 101
    Vor dem Holzschuppen
22. Dezember 1453
Kurz nach elf Uhr nachts
    Entsetzt packe ich die Axt mit beiden Händen und springe auf. Und Prospero?
    »Prospero?« Der Wind reißt mir den Schrei von den Lippen. »Prospero!«
    Keine Antwort. Lebt er noch? Oder liegt auch er im Schuppen? Ich taumele hinein und taste mit beiden Händen über den gefrorenen Boden.
    Nein, er ist nicht hier.
    »Jibril?«, schreie ich, als ich wieder vor der Hütte stehe. »Jibril, ich weiß, dass du dich irgendwo versteckst! Komm schon, zeig dich!« Der Schnee weht mir ins Gesicht. Meine Augen brennen von den Schneeflocken. »Jibril!«
    Nein, er ist auch nicht hier. Ich bin allein. Mit Vittorio.
    Was ist geschehen, während ich ohnmächtig auf dem Bett lag? Warum hat Prospero mir am Nachmittag ein Schlafmittel eingeflößt, um mich ruhigzustellen? Wieso hat er gesagt, dass es nicht mehr lange dauert? Was ist bald vorbei? Und was , zur Hölle, hat er vor?
    Es hat einen Kampf gegeben. Ja, so muss es gewesen sein. Vittorio wurde getötet. Und Prospero konnte entkommen. Ohne das Mandylion. Und ohne mich.
    Ein kluger Schachzug, Jibril! Ich balle die Fäuste. Wie sieht dein nächster Spielzug aus, um mich ash-Shah mat zu setzen? Und mit welcher Figur?

Kapitel 102
    In der Küche
22. Dezember 1453
Kurz vor Mitternacht
    Es muss schon bald Mitternacht sein, als ich, nachdem ich Vittorio im Tiefschnee begraben habe, endlich meine nassen Kleider ablege, sie zum Trocknen vor das prasselnde Feuer hänge und in den Bottich mit heißem Wasser steige.
    Die Hitze schmerzt fast unerträglich an meinen erfrorenen Füßen, doch mit zusammengebissenen Zähnen und verkniffenem Gesicht

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