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Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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trocken, nicht nur weil ich seit drei Tagen kaum etwas getrunken habe. Ich muss schlucken.
    Gott im Himmel, was erwartet mich dort unten?
    Langsam gehe ich weiter …

Kapitel 18
    Auf der Treppe
21. Dezember 1453
Eine Viertelstunde nach fünf Uhr nachmittags
    … und plötzlich steigt mir der Geruch von Blut in die Nase. Und da sind wieder diese wilden Geräusche.
    Ich bleibe stehen. Die Stufen unter mir winden sich ins Ungewisse. Meine Nackenhaare stellen sich auf. Mein Atem geht stoßweise und bildet in der eisigen Kälte einen dichten weißen Atemhauch. Steht irgendwo eine Tür offen, die nach draußen führt?
    Ich habe Angst!
    Was lauert dort unten?
    Ich ziehe Galceráns Rasierklinge aus dem Stiefel und gehe leise weiter.
    Am Ende der Stufen betrete ich einen Gang. Er ist verwinkelt und mit Bögen und Halbbögen überwölbt. Ein eisiger Wind weht den Schnee bis in diese düstere Höhle, denn das Portal am Ende des Ganges steht weit offen. Durch das dichte Schneetreiben kann ich im schwindenden Licht der Abenddämmerung einen Weg erkennen, wo der Schnee zerwühlt und zertrampelt ist. Dahinter ragt eine Fassade aus glatt behauenen Steinquadern mit einem Portal auf. Auch dieses steht offen. Ein leises Wiehern verrät mir, dass es der Pferdestall ist.
    Als ich hinter mir ein tiefes, kehliges Knurren höre, erstarre ich zu Eis. Meine Nerven sind zum Zerreißen gespannt.
    Dann hallt das dumpfe Geräusch eines Aufpralls durch den Gang. Die Tür weiter vorn scheint in die Küche zu führen – daher kommen der Blutgeruch und der Feuerschein, der den Gang in ein bläulich goldenes Licht taucht.
    Mit der Faust umklammere ich das kleine Messer und nähere mich der Küche, in der es plötzlich ruhig geworden ist. Die Stille ist so intensiv, dass ich unwillkürlich den Atem anhalte und lausche. Nur das Knacken der Holzscheite im Kamin ist zu hören. Gil hat das Feuer nicht gelöscht. Er will wohl bis zur Vesper, die in einer Stunde gefeiert wird, zurück sein.
    Ich bleibe stehen, lehne mich mit der Schulter gegen den Türrahmen und spähe um die Ecke.
    Tatsächlich, die Küche.
    Entsetzt zucke ich zusammen.
    Ein Rudel Wölfe hat sich über die aufgebrochene Gämse hergemacht. Die Wölfe haben den Kadaver vom Eichentisch vor dem großen Kamin gezogen, zerren daran herum und reißen große Bissen heraus.
    Plötzlich fliegen vier Köpfe in die Höhe. Sie haben mich weder gerochen noch gehört und sind ziemlich erschrocken. Witternd stehen die Wölfe mit gespreizten Beinen, gespitzten Ohren und zitternden silbergrauen Flanken vor mir, sehen sich unruhig auf allen Seiten nach einem Fluchtweg um und rühren sich nicht von der Stelle. Sie haben mehr Angst als ich. Obwohl sie meine offenen Wunden bemerkt haben.
    Ich bleibe ruhig, denn ich weiß, dass Wölfe keine Menschen angreifen.
    Kurzer Blick in die Runde: grobe Steinwände, ein großer Kamin mit einer Vorrichtung zum Drehen eines Bratspießes, ein eisernes Kaminbesteck mit Schürhaken, Regale mit Töpfen und Pfannen aus Kupfer und Eisen, ein Schrank mit schweren Steinguttöpfen, in einer Ecke ein Stapel brüchiger Weidenkörbe und ein Fass mit Sand, in dem vermutlich die Eier gelagert wurden.
    Ich wende mich wieder den Wölfen zu, die mich nicht aus den Augen lassen.
    »Raus hier! Das ist mein Abendessen!«, schreie ich. »Verschwindet!«
    Der Wolf, der mir am nächsten ist, blickt mich an. Seine Augenbrauen heben und senken sich wie bei einem Hund, der unschlüssig ist, was nun von ihm erwartet wird – von mir und seinem Rudel. Er ist der Leitwolf. Der andere, der sich hinter ihm versteckt, gibt sich mutiger. Er stellt seinen Schwanz auf und sträubt die Nackenhaare, um größer zu wirken als er eigentlich ist. Weil dieses Imponiergehabe bei mir keine Wirkung zeigt, zieht er die Lefzen hoch, zeigt mir seine Zähne und knurrt mich an.
    Als ich drohend die Hand hebe, hört er sofort auf, zieht den Schwanz ein, winselt leise und duckt sich unterwürfig.
    Mit einem schrillen, panischen Jaulen prescht jetzt der Leitwolf, der mir am nächsten ist, auf mich zu. Während ich hastig zur Seite springe, um den Fluchtweg für das Rudel freizumachen, flitzt er durch die Tür, schlittert mit knisternden Pfoten um die Ecke und ist im Dämmer des Korridors verschwunden.
    Die anderen sind nicht so mutig. Mit zitternden Flanken und eingeklemmten Schwänzen lassen sie mich nicht aus den Augen, als ich einige Schritte zur Seite trete, bis der Tisch zwischen uns steht. Dann prescht ungestüm der

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