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Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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reichen nur noch für wenige Tage. Die meisten Verteidiger sind verwundet, Männer, Frauen, Kinder und Greise. Byzantiner, Venezianer und Genuesen. Keiner deiner Römer ist unverletzt.«
    »Die Hoffnung stirbt zuletzt.«
    Er lacht verbittert. »Sie ist schon tot, Sandra. Und mit ihr die katholisch-orthodoxe Kirchenunion.«
    »Konstantin …«
    »Wozu hat sich der allerheiligste Kaiser des Imperium Romanum, der Stellvertreter Christi auf Erden, dem Bischof von Rom unterworfen? Sag’s mir! Wozu habe ich mich gedemütigt, wenn der römische Bischof sein Versprechen nicht hält, mich gegen die Feinde des christlichen Glaubens zu schützen?«
    Ich weiß, wie er sich jetzt fühlt: verraten und verkauft. Ich bin genauso enttäuscht wie er.
    »Sechstausend römisch-katholische und griechisch-orthodoxe … bitte verzeih … unierte Christen gegen hunderttausend Muslime.« Er deutet über die Mauer auf Mehmeds Truppen. »Wann wird das Banner des Propheten über der Kuppel der Hagia Sophia wehen? Wann werden die Gebetsrufe der Muezzins über Konstantinopolis … bitte entschuldige … Istanbul erklingen?« Er schnaubt verächtlich.
    »Papst Nikolaus wird Schiffe entsenden, um uns zu retten.«
    »Glaubst du noch daran?«, fragt mein Schwager so leise, dass ich ihn in dem Geschrei, das uns umgibt, kaum verstehen kann.
    Seine Frage ist berechtigt, nachdem gestern im Marmarameer ein Schiff gesichtet wurde, das von einem Geschwader türkischer Galeeren verfolgt und beschossen wurde. Im Schutz der Dunkelheit wurde die Sperrkette über das Goldene Horn geöffnet, um den Segler in den Hafen zu lassen. Zwanzig Tage zuvor hat er sich auf der Suche nach der Flotte des Papstes mit einer türkischen Flagge an der Mastspitze durch die Linien der türkischen Schiffe gemogelt. Er hatte die Inseln der Ägäis nach venezianischen Galeeren abgesucht – vergeblich. Daraufhin hatte die Besatzung wieder Segel gesetzt: zurück nach Byzanz. Konstantin hatte Tränen in den Augen, als er gestern erfuhr, dass wir nicht gerettet werden.
    »Dum spiro spero«, sage ich. »Solange ich atme, hoffe ich.«
    Glaube, Hoffnung und Gottvertrauen klingen anders.
    Das dumpfe Grollen einer heftigen Explosion lässt den Boden unter unseren Füßen erbeben. Selbst der gewaltige Belagerungsturm schwankt und droht umzukippen. Die Türken versuchen immer noch, mit tief unter der Erde vorangetriebenen Stollen die Blachernen-Mauer zu untergraben. Vermutlich haben es meine Männer geschafft, den Stollen zu sprengen. Aber wie lange wird die Innenmauer diesen Belastungen noch standhalten, bevor sie einstürzt? Der wochenlange Dauerbeschuss durch Mehmeds Kanonen hat sie brüchig gemacht. Die Außenmauer liegt schon in Trümmern, die erste Bresche für den Sturmangriff ist geschlagen.
    Ich blicke über die Mauerbrüstung nach unten. Der Belagerungsturm rumpelt unaufhaltsam näher. Die Türken legen sich mit aller Kraft in die Seile. Ein Pfeil trifft einen von ihnen ins Gesicht. Mit einem Aufschrei taumelt er zurück, direkt vor die Rollen des Turms, die ihn langsam zerquetschen. Ein anderer Türke hängt sich in das herabhängende Seil.
    »Feuer!«, brüllt Tannhäuser hinter mir.
    Ein grelles Licht flammt auf, als ein Katapult ein irdenes Gefäß mit Griechischem Feuer auf die Angreifer schleudert. Die Mischung aus Naphtha, Pech und Schwefel gerät sofort in Brand und verwandelt die Türken dort unten in menschliche Fackeln, die sich kreischend auf dem Boden winden.
    »… für uns arme Sünder«, betet eine Venezianerin in meiner Nähe und bekreuzigt sich. »Dein Wille geschehe! Jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen!«
    »Nachladen!«, kommandiert Tannhäuser, während ein Bote ihm hastig Bericht erstattet.
    Die junge Frau wuchtet mit letzter Kraft ein neues Geschoss mit Griechischem Feuer in die Schleuder des schon wieder gespannten Katapults.
    »Feuer!«
    Der Funkenschweif einer brennenden Lunte zischt über mich hinweg.
    »Federico!«, brülle ich.
    Friedrich von Tannhausen, genannt Tannhäuser, der deutsche Kommandant meiner Bravi, stürmt in geduckter Haltung herbei. Er nickt dem Kaiser zu, dann sieht er mich an. »Euer Gnaden?«, brüllt er gegen den unablässigen Kanonendonner an.
    »Wie ist die Lage?«
    »Johannes Grant, der deutsche Baumeister, scheint den Verlauf des türkischen Stollens so genau berechnet zu haben, dass wir mit unserem Gegenstollen hineinstoßen konnten, um das Stützwerk in Brand zu stecken und den Gang zu sprengen«, berichtet er. »Er ist

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