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Das letzte Experiment

Das letzte Experiment

Titel: Das letzte Experiment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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führte in eine Sackgasse. Ich hatte es bereits gewusst, als ich von Bader zum ersten Mal begegnet war. Nach allem, was ich erfahren hatte, wollte seine Tochter nicht gefunden werden, genauso wenig wie jede eventuelle Begleitperson. Wenn Menschen nicht gefunden werden, ist es für einen Detektiv so, als suchte er nach dem Sinn des Lebens. Man ist nicht einmal sicher, ob er überhaupt existiert. Es gefiel mir nicht, einen Auftrag anzunehmen, der so wenig Aussichten auf Erfolg hatte. Normalerweise hätte ich sicherlich abgelehnt. Doch «normal» war das Ganze ja nicht gerade. Einer Präsidentengattin, und zumal Eva Perón, schlug man so ein Angebot nicht aus. Insbesondere nicht so bald nach meinem Ausflug nach Caseros.
    «Nun?», fragte sie. «Wie werden Sie an die Sache herangehen?»
    Ich steckte mir eine Zigarette an und nahm einen tiefen Zug. Ich wollte nicht rauchen, doch so hatte ich einige Sekunden zum Nachdenken, bevor ich antwortete. Colonel Montalban räusperte sich. Es klang wie ein Rettungsring, der über meinem Kopf auf die Wasseroberfläche prallt.
    «Sobald wir etwas zu berichten haben, werden wir uns bei Ihnen melden, Señora», sagte er.
    Draußen im Treppenhaus, auf dem Weg nach unten, bedankte ich mich bei ihm.
    «Wofür denn das?»
    «Dafür, dass Sie mir zu Hilfe gekommen sind vorhin. Wegen der letzten Frage, die sie gestellt hat.»
    «Wie Sie an die Sache herangehen?»
    «Ja.»
    «Und wie wollen Sie nun an die Sache herangehen?» Er grinste liebenswürdig und zündete sich an meiner Glut eine Zigarette an.
    «Ich weiß es noch nicht. Ich denke, ich werde auf eine Idee warten. Keine Ahnung, wirklich nicht. Vielleicht habe ich Glück. Normalerweise funktioniert es so bei mir, wissen Sie? Ich mag nichtso aussehen, aber ich bin ein Glückspilz, Colonel. Heute Morgen noch war ich im Gefängnis, und vor fünf Minuten hatte ich die Hand im Dekolleté der Frau des argentinischen Präsidenten. Glauben Sie mir, auf mehr Glück kann ein Deutscher dieser Tage nicht hoffen.»
    «Daran zweifle ich nicht.»
    «Evita sah nicht besonders krank aus.»
    «Sie auch nicht.»
    «Jetzt nicht mehr vielleicht. Aber ich war krank.»
    «Pack ist ein guter Arzt», sagte Montalban. «Der beste in seinem Fach. Sie hatten beide Glück, von jemandem wie ihm behandelt zu werden.»
    «Wahrscheinlich haben Sie recht.»
    «Ich werde die von Baders anrufen und ihnen sagen, dass Sie noch einmal mit ihnen sprechen möchten. Dass wir vielleicht bisher etwas übersehen haben.»
    «Man übersieht immer irgendetwas. Schon allein aufgrund der Tatsache, dass wir alle Menschen sind und Menschen nun mal Fehler machen.»
    «Sagen wir morgen Mittag?»
    Ich nickte.
    «Kommen Sie», sagte er. «Ich fahre Sie zurück zu Ihrem Hotel.»
    Ich schüttelte den Kopf. «Nein danke, Colonel. Ich gehe zu Fuß, wenn es Ihnen nichts ausmacht. Wenn die Wirtin sieht, wie Sie mich in Ihrem weißen Jaguar vorfahren, erhöht sie die Zimmermiete.»

ACHTZEHN
BUENOS AIRES
1950
    Sie waren erfreut, mich zu sehen im Hotel San Martín. Sicherlich aus Erleichterung, schließlich hatte die Geheimpolizei mein Zimmer auf den Kopf gestellt – wenn auch ziemlich unauffällig. Es gab auch nicht genügend Mobiliar, um das Zimmer wirklich in Unordnung zu bringen. Mr. und Mrs.   Lloyd begrüßten mich wie jemanden, den sie tot geglaubt hatten.
    «Man hört Geschichten über die Geheimpolizei und diese Dinge», erzählte Mr.   Lloyd bei einem Willkommensdrink in der Hotelbar. «Allerdings haben wir das noch nie so aus der Nähe erlebt.»
    «Es gab ein Missverständnis wegen meiner
cedula
, das ist alles», erklärte ich. «Ich denke nicht, dass es noch einmal geschehen wird.»
    Nichtsdestotrotz bezahlte ich meine monatliche Rechnung im Voraus, für den Fall, dass es doch noch einmal geschah. Die Lloyds waren ein wenig beruhigt. Einen Gast zu verlieren war eine Sache – einen Gast zu verlieren, der nicht bezahlt hatte, eine ganz andere. Die beiden waren nette Leute, aber sie arbeiteten schließlich, um Geld zu verdienen. Wer tut das nicht?
    Ich ging nach oben auf mein Zimmer. Es war ausgestattet mit einem Bett, einem Stuhl, einem Tisch, einem Lehnsessel, einem Kamin mit elektrischem Feuer, einem Radio, einem Telefon und einem Badezimmer. Selbstredend hatte ich es ein wenig nach meinem persönlichen Geschmack eingerichtet. Ich hatte zwei Gläser ausgepackt, ein Schachspiel, ein Spanisch-Wörterbuch, eine Weimarer Goethe-Ausgabe aus einem Antiquariat und ein paar Sachenzum

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