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Das letzte Experiment

Das letzte Experiment

Titel: Das letzte Experiment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Angst. Es war ein hartes Gesicht. Es sah aus wie etwas, womit man seinen Teppich ausklopfen konnte. Als er sprach und ich seinen Atem roch, wurde mein Bedürfnis, etwas Hartes zu trinken, noch größer. Schweigend warf ich ein paar Banknoten auf den Tisch. Ich war nicht in der Stimmung für irgendetwas anderes als Informationen, doch manchmal kosten Informationen genauso viel wie ihre intimeren Verwandten. DerZuhälter sammelte das Geld ein und entfernte sich. Erst danach kam sie zu mir an den Tisch und setzte sich.
    «Es tut mir leid wegen dieser Szene», sagte sie. «Ich kriege am Ende des Abends mein Geld von ihm und gebe es Ihnen später wieder. Es war richtig von Ihnen, ihn zu bezahlen. Vincent ist kein Mann, mit dem man nicht reden könnte, doch er ist auch mein
creolo
, und
creolos
mögen es nun einmal, wenn die Dinge so aussehen, wie sie aussehen sollten. Für den Fall, dass Sie sich fragen – er ist kein Zuhälter.»
    «Wenn Sie es sagen.»
    «Ein
creolo
passt nur auf ein Mädchen auf, mehr nicht. Wie ein Leibwächter. Manche Kerle, mit denen ich tanze, werden hin und wieder unangenehm zudringlich.»
    «Schon gut. Machen Sie sich keine Gedanken wegen des Geldes. Behalten Sie es.»
    «Sie meinen, Sie wollen   …?»
    «Ich meine, behalten Sie das Geld. Das ist alles. Ich bin hinter Informationen her, nichts weiter. Ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen – ich hatte einen verdammt anstrengenden Tag.»
    «Möchten Sie darüber reden?»
    «Nein. Reden wir über Sie.» Ich nippte an meinem
cubano
. «Sie sehen anders aus als bei unserer letzten Begegnung», stellte ich fest.
    Ein Kellner brachte ihr etwas zu trinken. Sie ignorierte das Glas und den Kellner.
    «Also, wer hat Ihnen den Auftrag verschafft?»
    «Der Polizist. Der Kerl, der Sie zu von Bader gebracht hat. Er kam zu mir nach Hause und sagte, er hätte mich in einer Show gesehen und einen Spezialauftrag für mich. Wenn ich tat, was man mir sagte, würde ich eine hübsche Summe verdienen; außerdem könnte ich die schönen Kleider behalten, die ich tragen würde. Ich müsste nichts weiter dafür tun, als eine reiche, besorgte Mutter zu spielen.» Sie zuckte die Schultern. «Das war ganz einfach. Es hat eine Zeit gegeben, da hatte ich selbst eine reiche, besorgte Mutter.»Sie zündete sich eine Zigarette an. «Also ging ich zu von Bader, und wir unterhielten uns.»
    «Wie lange waren Sie dort?»
    «Fast den ganzen Tag. Wir wussten schließlich nicht genau, wann Sie auftauchen würden.»
    «Und das alles, um mir etwas vorzuspielen?»
    «Nach außen hin, ja. Aber Colonel Montalban wollte auch, dass ich von Bader für ihn aushorche.»
    «Das sieht ihm ähnlich. Zwei Aufträge zum Preis von einem.» Ich nickte. «Und wie war er? Von Bader, meine ich?»
    «Nervös. Nervös, aber nett. Er hat ein paarmal telefoniert. Ich glaube, er plant, ins Ausland zu fahren. Er hat mehrere Anrufe in die Schweiz getätigt, während ich dort war, und auch Anrufe aus der Schweiz entgegengenommen. Ich weiß das, weil er mich einmal bat, für ihn ans Telefon zu gehen, als er gerade im Bad war. Ich spreche Deutsch, wie Sie wissen. Ich spreche außerdem Polnisch und Spanisch. Von Geburt bin ich Deutschpolin. Aus Danzig.» Sie paffte an der Zigarette, doch dann schien sie sich über sich selbst zu ärgern und drückte die halbgerauchte Zigarette ungeduldig aus. «Bitte entschuldigen Sie, aber ich bin ein wenig nervös wegen dieser Geschichte. Dieser Colonel war alles andere als erfreut, als ich ihm sagte, ich könnte diese Rolle morgen früh nicht noch einmal spielen. Er ist es nicht gewohnt, dass man ihn im Stich lässt.»
    «Und was haben Sie gemacht?»
    «Als von Bader erzählte, dass Sie ein berühmter deutscher Detektiv sind und dass Sie in Berlin vor dem Krieg oft vermisste Personen gesucht haben, verlor ich mehr oder weniger das Interesse an der kleinen Verschwörung. Was auch immer sie damit bezwecken. Verstehen Sie, ich war es, die Anna Yagubsky von Ihnen erzählt hat. Und ich war es auch, die vorgeschlagen hat, Anna könnte Sie um Hilfe bitten. Ich dachte, indem Sie Anna helfen, ihre verschwundenen Verwandten zu finden, könnten Sie auch mir bei der Suche nach meinen verschwundenen Schwestern helfen. Und weil Sie mirauf diese Weise – wenngleich unbewusst – helfen, beschloss ich, meinerseits Ihnen zu helfen. Ich beschloss, Ihnen reinen Wein einzuschenken, darüber, was der Colonel zusammen mit von Bader ausgeheckt hat – zumindest soweit ich dazu imstande bin.

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