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Das letzte Experiment

Das letzte Experiment

Titel: Das letzte Experiment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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unterdrücken.
    Melville schien mein offensichtliches Desinteresse als Herausforderung zu sehen.
    «O ja. Es ist erst ein paar Jahre her, dass einer Ihrer Landsleute einen recht großen Kontrakt mit mir abgeschlossen hat. Ein Ingenieur, der für das Außenministerium gearbeitet hat. Wie war noch mal sein Name   … Kammler? Ja, richtig. Kammler, Dr.   Hans Kammler. Schon mal gehört, den Namen?»
    Der Name sagte mir etwas, doch ich kam nicht darauf.
    «Ich hatte mehrere Treffen mit Ihrem Dr.   Kammler im Palast von San Martín in Arenales. Ein interessanter Mann. Im Krieg war er Brigadeführer in der SS. Ich dachte, Sie würden ihn kennen?»
    «Also schön – ich war bei der SS. Zufrieden?»
    Melville schlug sich mit der flachen Hand auf den Oberschenkel. «Ich wusste es!», sagte er triumphierend. «Ich wusste es einfach! Spielt natürlich keine Rolle für mich, was Sie im Krieg gemacht haben. Der Krieg ist vorbei. Und wir brauchen die Deutschen, wenn wir die Russen aus Europa halten wollen.»
    «Wozu braucht das Außenministerium große Mengen Drahtzaun?», fragte ich.
    «Da fragen Sie besser Ihren Brigadeführer», entgegnete Melville. «Wir haben uns mehrere Male getroffen. Das letzte Mal in einem Ort in der Nähe von Tucumán, als ich den Draht geliefert habe.»
    «Ah, richtig», sagte ich, und meine Neugier klang ein wenig ab. «Sie meinen sicherlich das Wasserkraftwerk, das CAPRI betreibt.»
    «Nein, nein. CAPRI gehört ebenfalls zu meinen Kunden, das stimmt. Aber das war etwas anderes. Noch geheimer. Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, dass es irgendetwas mit der Atombombe zu tun hat. Ich könnte mich natürlich irren, aber Perón wollte immer, dass Argentinien die erste Atommacht in Südamerika wird. Kammler hat von dem Projekt immer als Memorandum Sowieso geredet. Irgendeine Nummer.»
    «Elf? Direktive elf?»
    «Ja, genau. Nein, warten Sie. Zwölf. Es war Direktive zwölf.»
    «Sind Sie sicher?»
    «Absolut. Wie dem auch sei, es war alles strenggeheimes Zeug.Sie bezahlten verdammt gut für den Draht. Hauptsächlich, weil wir das Zeug zu einem Tal mitten im Nirgendwo liefern mussten, in der Sierra de Aconquija. Schön und gut, bis nach Tucumán war es nicht weiter schwierig. Es gibt eine vernünftige Eisenbahnverbindung von Buenos Aires nach Tucumán, wie Sie vielleicht wissen. Doch von dort nach Dulce – so hieß die Ortschaft, zu der wir liefern sollten, wie der gleichnamige Fluss   –, da mussten wir Maultiere benutzen. Hunderte von Maultieren.»
    «Melville   … glauben Sie, dass Sie mir den Ort auf einer Karte zeigen können?»
    Er grinste unsicher. «Ich glaube, ich habe schon zu viel gesagt. Ich meine, wenn es tatsächlich eine geheime Atomfabrik ist, gefällt es den Verantwortlichen wahrscheinlich nicht, wenn ich irgendwelchen Leuten erzähle, wo sie liegt.»
    «Da haben Sie nicht ganz unrecht», gab ich zu. «Wahrscheinlich würde man Sie umbringen, wenn man herausfände, dass Sie mit jemandem wie mir darüber geredet haben. Tatsächlich bin ich sogar ziemlich sicher. Auf der anderen Seite jedoch   …», ich schlug mein Revers zurück, sodass er mein Schulterhalfter und die Smith & Wesson darin sehen konnte, «…   auf der anderen Seite stehen Ihre Karten auch nicht viel besser. Wir werden gleich zu dem Buchladen auf der anderen Straßenseite gehen, und ich werde eine Karte kaufen. Und dann ist entweder Ihr Gehirn oder Ihr Finger auf der entsprechenden Stelle, wenn ich mich wieder auf den Weg mache.»
    «Sie machen Witze!», sagte er.
    «Ich bin Deutscher, Melville. Wir sind nicht gerade berühmt für unseren Humor. Ganz besonders dann nicht, wenn es darum geht, Leute umzubringen. So etwas nehmen wir ziemlich ernst. Was im Übrigen der Grund ist, warum wir so gut darin sind.»
    «Angenommen, ich will nicht mit Ihnen in den Bücherladen?», sagte er und blickte sich um. Im Richmond herrschte Betrieb. «Sie würden es nicht wagen, mich zu erschießen, nicht hier vor all diesen Leuten.»
    «Und warum nicht? Ich habe meinen Kaffee ausgetrunken, und Sie haben sich dankenswerterweise bereit erklärt, die Rechnung zu begleichen. Es würde mir ganz bestimmt nicht den Tag verderben, Ihnen eine Kugel durch den Kopf zu jagen. Und wenn mich die Polizisten fragen, warum ich es getan habe, werde ich einfach antworten, Sie hätten sich der Verhaftung widersetzt.» Ich zückte meinen SID E-Dienstausweis und hielt ihm ihn unter die Nase. «Sehen Sie? Ich bin selbst Polizist. Geheimpolizei, wie man

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