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Das letzte Experiment

Das letzte Experiment

Titel: Das letzte Experiment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Unterschied nicht bemerken. Abgesehen davon, sie ist Baron von Baders Tochter, also warum sollte er lügen – außer, dass die Menschen ständig wegen allem Möglichen lügen, außer in Monaten mit einem   X.» Ich steckte mir eine Zigarette an. «Diese alten Kameraden. Haben diese Leute Namen?»
    «Vor ungefähr einem Jahr gaben meine Frau und ich ein Gartenfest», sagte von Bader. «Quasi als Willkommensgruß für viele der alten Kameraden in Argentinien.»
    «Das ist sehr gastfreundlich von Ihnen, keine Frage.»
    «Einer meiner früheren Kollegen war zuständig für die Gästeliste. Dr.   Heinrich Dorge. Er war früher Assistent von Dr.   Schacht. Hitlers Wirtschaftsminister.»
    Ich nickte.
    «Fabienne war der Mittelpunkt der Party», sagte ihr Vater. «Sie wirkte so erfrischend, so fesselnd, dass viele alte Kameraden ganz zu vergessen schienen, warum sie hier in Argentinien sind. Ich erinnere mich, dass sie einige alte deutsche Lieder gesungen hat. Meine Frau spielte dazu auf dem Klavier. Fabienne rührte viele Männer zu Tränen. Sie war bemerkenswert.» Er zögerte. «Dr.   Dorge ist tot, leider. Er hatte einen Unfall. Was bedeutet, dass die vollständige Liste der Gäste verloren ist. Es waren sicherlich hundertfünfzig alte Kameraden, vielleicht sogar noch mehr.»
    «Und Sie denken, dass sich Fabienne bei einem dieser Leute versteckt?»
    «Ich würde sagen, es ist eine Möglichkeit.»
    «Eine Möglichkeit, die es wert ist, überprüft zu werden», fügte der Colonel hinzu. «Deshalb möchte ich, dass Sie mit Ihren Ermittlungen in diesen Kreisen fortfahren. Es gibt noch immer viele deutsche Einwanderer, mit denen Sie noch nicht gesprochen haben.»
    «Zugegeben», räumte ich ein. «Aber meiner Meinung nach wurde sie nur deswegen noch nicht gefunden, weil sie gar nicht mehr in Buenos Aires ist. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist sie aufs Land geflüchtet. Nach Tucumán vielleicht – dort oben gibt es eine ganze Menge alter Kameraden, die am Quiroga-Damm für CAPRI arbeiten. Vielleicht sollte ich nach Tucumán fahren und dort weitere Nachforschungen anstellen.»
    «Das haben wir bereits getan», sagte der Colonel. «Aber warum nicht? Vielleicht haben wir etwas übersehen? Wann können Sie aufbrechen?»
    «Ich fahre mit dem Nachtzug.»
     
    Es gab nur zwei Gerichte auf der Speisekarte des Shorthorn Grill. Rindfleisch mit Gemüse und Rindfleisch ohne Gemüse. Eine Menge Fleisch steckte auf Spießen im Schaufenster, und zahlreiche Steaks hingen – gebraten oder roh – an den roastbeeffarbenen Wänden. Ein Stierkopf blickte in glasäugiger Befremdung auf die Gäste und das Personal des Restaurants herab. Das Fleisch wurde so schnell verzehrt, wie es gebraten und zu den Tischen gebracht wurde, alles in geselligem Schweigen. Wie eine Angelegenheit, die viel zu ernst war, um durch Konversation gestört zu werden. Der Shorthorn Grill war ein Lokal, in dem selbst das Schuhleder nervös wurde.
    Anna saß in einer Ecke an einem Tisch mit einer rot-weiß karierten Tischdecke. Über ihr an der Wand hing eine Lithographie, die einen Gaucho beim Einfangen eines Stiers zeigte. In ihren Augen stand Schmerz, doch der rührte nicht daher, dass sie Vegetarierinwar. Sobald ich mich zu ihr gesetzt hatte, kam ein Kellner zu uns und schaufelte Rindermett und Peperoni auf unsere Teller. Die meisten Kellner hatten Augenbrauen, die aussahen, als wollten sie sich in der Mitte vereinigen. Unser Kellner hatte welche, die sich bereits vereinigt hatten. Ich bestellte eine Flasche Rotwein, wie Anna ihn mochte: süß und mit viel Alkohol. Als der Kellner wieder gegangen war, legte ich meine Hand auf ihre.
    «Was ist denn los? Mögen Sie das Fleisch nicht?»
    «Vielleicht hätte ich nicht kommen sollen», sagte sie leise. «Ich habe gerade schlechte Nachrichten erhalten. Wegen einer Freundin.»
    «Das tut mir leid zu hören», sagte ich. «Möchten Sie darüber reden?»
    «Sie war Schauspielerin», sagte Anna. «Na ja, jedenfalls nannte sie sich so. Ich hatte offen gestanden meine Zweifel, aber sie war ein guter Mensch. Sie hatte ein schweres Leben. Viel schwerer, als sie jemals zugegeben hätte. Und jetzt ist sie tot. Sie war nicht älter als sechsunddreißig.» Anna lächelte traurig. «Ich glaube, viel schlimmer kann es nicht kommen, oder?»
    «Isabel Pekerman», sagte ich.
    Sie starrte mich schockiert an. «Ja. Aber   … woher wissen Sie   …?»
    «Das spielt jetzt keine Rolle. Erzählen Sie mir, was passiert ist.»
    «Nachdem Sie

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