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Das letzte Experiment

Das letzte Experiment

Titel: Das letzte Experiment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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zurück.
    «Du hattest recht», sagte ich zu Frieda. «Er ist ein äußerst gefährlicher Bursche, und ich denke, die Bombe kann jeden Moment hochgehen.»
    «Was machen wir jetzt?»
    Ich winkte Max zu mir, den Empfangsportier. Max war nicht angestellt, im Gegenteil. Er zahlte Louis Adlon Monat für Monat dreihundert Mark dafür, dass er diese Arbeit machen durfte. Dafür kassierte er eine Provision für den Service, den er den Hotelgästen bot – was ihm gut und gerne dreitausend Mark im Monat einbrachte.
    Max hielt eine Hundeleine, an deren Ende sich ein winziger Dackel befand. Ich nahm an, dass er nach einem Pagen Ausschau hielt, der das Ding ausführen sollte. «Max», sagte ich. «Ruf auf dem Alex an und sag ihnen, sie sollen die Grüne Minna schicken. Und ein paar Schupos obendrein. Es gibt Ärger in der Bar.»
    Max zögerte, als erwartete er ein Trinkgeld.
    «Es sei denn natürlich, du willst das selbst in die Hand nehmen», sagte ich.
    Er wandte sich ab und eilte zu den Haustelefonen.
    «Und wo du schon dabei bist – geh doch bitte gleich in die Bibliothek und versuch, einen von diesen überbezahlten Ex-Polizisten, die sich Sicherheitsleute schimpfen, dazu zu bewegen, seinen Hintern aus dem Liegestuhl zu erheben.»
    Frieda war nie bei der Polizei gewesen, deswegen nahm sie keinen Anstoß an meiner Bemerkung über Ex-Polizisten, doch ich wusste, dass sie auf sich selbst aufpassen konnte. Das Hotel Adlon hatte sie eingestellt, weil sie im deutschen olympischen Frauen-Fechtteam in Paris 1924 gewesen war, wo sie nur knapp eine Medaille verpasst hatte.
    Ich nahm sie beim Arm und führte sie zur Bar. «Wenn wir uns gesetzt haben», sagte ich zu ihr, «dann möchte ich, dass du dich nur mit mir beschäftigst. Sei wie eine Klette. Auf diese Weise sieht er mich nicht als Gefahr.»
    Wir nahmen an einem Tisch gleich neben Ricci Platz. Der Bismarck zeigte Wirkung, und Ricci hatte schon begonnen, den verängstigten Barmann mit schnarrender Stimme zu beschimpfen. Die Rothaarige sah aus, als erlebte sie das nicht zum ersten Mal. Die meisten anderen Gäste überlegten wahrscheinlich, wie sie am schnellsten zur Tür kamen, ohne an Ricci vorbeizumüssen. Einer jedoch wollte es wissen. Ein Geschäftsmann mit Frack und Vatermörder, der indigniert dreinblickte angesichts Riccis Gossensprache, erhob sich von seinem Platz und schien sich mit dem Gangster anlegen zu wollen. Kurz trafen sich unsere Blicke, und ich schütteltekaum merklich den Kopf. Offenbar hatte er begriffen. In dem Augenblick, als er sich wieder hinsetzte, machte sich Frieda über mich her. Sie küsste mich auf die Ohren, den Hals, in den Nacken, auf die Wangen und endlich auf den Mund.
    «Du bist so süß», sagte sie – was einigermaßen untertrieben war.
    Ricci starrte sie an und dann die Rothaarige an seiner Seite. «Warum kannst du nicht ein wenig mehr wie sie sein?», fragte er und zeigte mit dem Daumen in Friedas Richtung. «Ein wenig freundlicher, meine ich.»
    «Weil du betrunken bist.» Die Rothaarige zückte eine Puderdose und fing an, ihr Make-up aufzufrischen. Ein sinnloses Unterfangen, meiner Meinung nach – wie der Versuch, die Mona Lisa aufzufrischen. «Und wenn du betrunken bist, bist du ein Schwein.»
    Sie hatte sicherlich nicht unrecht, doch das wollte Ricci nicht hören. Er stand auf und warf dabei fast den Tisch um. Flaschen, Gläser und Aschenbecher segelten zu Boden. Ricci fluchte, und die Rothaarige fing an zu lachen.
    «Ein unbeholfenes, betrunkenes Schwein!», setzte sie sicherheitshalber noch eins drauf und lachte erneut. Ich mochte, was dieses Lachen mit ihren großen Mund machte. Wie die spitzen weißen Zähne hinter den kirschroten Lippen zum Vorschein kamen. Ricci hingegen mochte es ganz und gar nicht, und das ließ er die Rothaarige mit der flachen Hand spüren. Das Klatschen der Ohrfeige hallte durch die vornehme Bar des Adlon wie ein Kanonenschlag am Silvesterabend. Das war entschieden zu viel für den Mann im Frack. Er sah aus wie ein echter preußischer Ehrenmann, dem es nicht egal ist, wie eine Frau behandelt wird – selbst wenn die Frau wahrscheinlich nichts weiter als eine Edelhure war.
    «Oje», murmelte mir Frieda ins Ohr. «I.G.   Farben gibt den Ritter Lancelot.»
    «Hast du gesagt, I.G.   Farben?»
    Die   I.G.   Farben war Europas größtes Chemieunternehmen. Das Hauptquartier der Firma befand sich in Frankfurt, doch sie unterhieltein Büro in Berlin, gleich gegenüber dem Hotel Adlon, auf der anderen Seite von

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