Das letzte Experiment
mir die Frauen.
«Das sah sehr professionell aus mit dieser Gurke», sagte sie.
«Wusstest du nicht, dass ich Gemüsehändler in Leverkusen war, bevor ich zur Berliner Polente gekommen bin?»
«Wo zum Teufel liegt Leverkusen?»
«Das weißt du nicht? Es ist eine neue Stadt am Rhein. Das Zentrum der deutschen Chemieindustrie. Was hältst du davon, wenn wir für das Wochenende nach Leverkusen fahren, und du zeigst mir, wie dankbar du bist?»
Frieda lächelte. «Dazu müssen wir gar nicht so weit fahren», sagte sie. «Wir müssen nur die Treppe rauf. Auf Zimmer 102. Das ist eine unserer Prominenten-Suiten, und sie steht im Augenblick leer. Charlie Chaplin hat schon dort geschlafen, genau wie Emil Jannings.» Sie grinste. «Liegt wahrscheinlich daran, dass keiner von beiden mich dabeihatte. Ich hätte sie bestimmt wach gehalten.»
Ich war gegen halb fünf zurück am Alex. Auf meinem Schreibtisch stand eine Kiste Gurken. Ich winkte mit einer davon in den Raum, während mehrere Kollegen im Einsatzraum klatschten und johlten. Otto Trettin, einer der besten Polizisten der Abteilung und Spezialist für Banden wie die Allzeit Getreuen, steckte sich eine halbe Gurke in das Schulterhalfter, zog sie wieder heraus, um damit auf mich zu zielen und «Peng!» zu sagen.
Ich grinste und hängte meine Jacke über die Stuhllehne.
«Wo ist Ihre?», fragte er. «Ihre Pistole, meine ich?»
«Im Wagen.»
«Deshalb die Gurke, schätze ich.»
«Kommen Sie, Otto! Sie wissen selbst, wie das ist. Wenn man eine Pistole trägt, muss man ständig die Jacke anhaben, und bei diesem warmen Wetter in den letzten Tagen …»
«… dachten Sie, dass Sie keine brauchen, oder wie?»
«So ähnlich», sagte ich kleinlaut.
«Ernsthaft, Bernie. Jetzt, wo Sie sich Ricci Kamm zum Feind gemacht haben, sollten Sie aufpassen, was in Ihrem Rücken geschieht. Und was vor Ihnen geschieht, schätzungsweise ebenfalls.»
«Meinen Sie wirklich?»
«Ein Kerl, der Ricci Kamm mit einer gebrochenen Nase und einer Gehirnerschütterung in die Charité bringt, sollte besser eine Schusswaffe bei sich tragen, oder er hat ziemlich bald ein Messer zwischen den Schulterblättern. Selbst wenn er ein Polizist ist.»
«Vielleicht haben Sie recht», räumte ich ein.
«Selbstverständlich habe ich recht! Sie wohnen in der Dragonerstraße,richtig, Bernie? Das ist praktisch bei den Allzeit Getreuen um die Ecke. Eine Pistole im Handschuhfach nutzt Ihnen gar nichts, alter Freund. Außer natürlich, Sie haben vor, eine Autowerkstatt zu überfallen.»
Er zielte immer noch mit der Gurke in meine Richtung, als er sich wieder entfernte.
«Sie sollten auf ihn hören», sagte jemand hinter mir. «Er weiß, wovon er redet. Wenn Worte nicht mehr helfen, kann eine Kanone ziemlich nützlich sein.»
Arthur Nebe war einer der windigsten Detektive bei der gesamten Berliner Kripo. Er war von einem Freikorps gekommen, und seine beachtliche Aufklärungsquote hatte dazu geführt, dass er innerhalb von zwei Jahren in der Abteilung Ia bis zum Kommissar aufgestiegen war. Nebe war ein Gründungsmitglied der NSBAG – der Nationalsozialistischen Beamten-Arbeitsgemeinschaft –, und es gingen Gerüchte, dass er ein enger Freund führender Nazi-Größen wie Goebbels, Graf von Helldorf und Kurt Daluege war. Eigenartigerweise war Nebe auch mit Bernhard Weiß befreundet, und er hatte weitere einflussreiche Freunde in der SPD. Es war allgemein anerkannt, dass Nebe am Alex und um den Alex herum mehr Optionen abgedeckt hatte als die Berliner Börse.
«Hallo, Arthur», sagte ich. «Was machen Sie denn hier? Gibt es in Ihrer Abteilung nicht genug Arbeit?»
Nebe ignorierte meine Bemerkung und sagte: «Seit Otto die Sass-Brüder verhaftet hat, muss er verdammt gut auf sich aufpassen.»
«Wir wissen alle, was es mit Otto und den Sass-Brüdern auf sich hat, Arthur», sagte ich. Otto Trettin wäre 1928 fast gefeuert worden, nachdem bekannt geworden war, dass er die beiden Kriminellen zu einem Geständnis geprügelt hatte. «Was ich getan habe, ist überhaupt nicht damit zu vergleichen. Die Verhaftung von Ricci Kamm war absolut regelkonform.»
«Ich hoffe, er sieht es genauso», sagte Nebe. «Um Ihretwillen. Ehrlich, es ist nicht gesund für einen Polizisten, ohne Kanonedurch die Gegend zu laufen, wissen Sie? Vergangenen April, nachdem ich Franz Spernau hinter schwedische Gardinen gebracht hatte, bekam ich so viele Morddrohungen, dass im Hoppegarten Wetten abgeschlossen wurden, ob ich den
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