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Das letzte Experiment

Das letzte Experiment

Titel: Das letzte Experiment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Münchner Polizeizelle verbracht haben. Was zur Hölle hatten Sie überhaupt in München zu suchen?»
    «Ich war auf Einladung eines Kollegen von der Münchner Kripo dort. Um mir die Akten über einen Mordfall anzusehen, der einem meiner Fälle sehr ähnlich ist. Dem Fall Anita Schwarz. Ich hatte gehofft, eine neue Spur zu finden, doch als ich in München ankam, fand ich heraus, dass der Kollege, Kommissar Herzefelde, ein Jude, in der Nacht zuvor ermordet worden war.»
    Ich betonte das Wort «Kollege». Ich hatte Isidor Weiß nicht vergessen und die Lügen, die nun über meinen Freund und ehemaligen Chef verbreitet wurden.
    «Schön. Und was haben Sie herausgefunden?»
    «Nichts, Herr Präsident. Kommissar Herzefeldes Akten wurden von den Ermittlern unter Verschluss genommen, die den Mord an ihm untersuchen. Deswegen konnte ich nicht tun, weswegen ich nach München gefahren war.»
    «Und deswegen haben Sie Ihre Frustration darüber, dass man Ihnen die Akteneinsicht verwehrt hat, an einem Kollegen ausgelassen.»
    «Ganz und gar nicht, Herr Präsident. Der fragliche Beamte   …»
    Melcher schüttelte den Kopf. «Ich sagte bereits, ich will Ihre Gründe nicht hören, Gunther. Es gibt keine Entschuldigung dafür, einen Kollegen zu verprügeln.» Für einen Moment blickte er zu Mosle, seinem Stellvertreter.
    «Keine Entschuldigung», echote dieser.
    «Und wo, wenn ich fragen darf, stehen Sie inzwischen mit diesem Fall?»
    «Nun, Herr Präsident, ich glaube, unser Mörder kommt aus München. Irgendetwas brachte ihn nach Berlin. Eine medizinische Angelegenheit vielleicht. Ich glaube, er hat sich wegen einer Geschlechtskrankheit behandeln lassen. Mit einem neuen Medikament, das hier in der Stadt einem ersten klinischen Test unterzogen wird. Wie dem auch sei, hier in Berlin ist er Anita Schwarz begegnet. Möglicherweise als Kunde. Es scheint, dass Fräulein Schwarz Gelegenheitsprostitution betrieben hat.»
    «Unsinn!», sagte Melcher. «Ein Mann mit einer Geschlechtskrankheit geht nicht hin und hat Sex mit einer Prostituierten! Das ergibt doch keinen Sinn!»
    «Bei allem gebotenen Respekt, Herr Präsident, aber auf diese Weise werden Geschlechtskrankheiten weitergegeben.»
    «Und diese Vermutung, Fräulein Schwarz wäre eine Gelegenheitsprostituiertegewesen – das ist ebenfalls Unsinn! Ich sage Ihnen frei heraus, Gunther, ich glaube – und mit mir mehrere andere höhere Ermittlungsbeamte im Haus   –, dass Sie sich das alles nur ausgedacht haben, um die Familie Schwarz bloßzustellen. Aus politischen Gründen.»
    «Aber das stimmt nicht, Herr Präsident!»
    «Wollen Sie etwa bestreiten, dass sie sich der Aufsicht des politischen Beamten entzogen haben, der diesem Fall zugeordnet worden war?»
    «Sie meinen Arthur Nebe? Nein, ich bestreite es nicht. Ich denke lediglich, dass es unnötig war. Ich war nicht im Entferntesten gegen die Familie Schwarz voreingenommen. Ich habe nichts anderes gewollt, als den Wahnsinnigen zu schnappen, der die Tochter von Herrn und Frau Schwarz umgebracht hat.»
    «Nun, ich bin nicht überzeugt. Und Sie werden auch nicht länger nach dem Mörder suchen. Ich entziehe Ihnen den Fall, Gunther.»
    «Wenn mir die Bemerkung erlaubt ist, Herr Präsident, Sie machen einen großen Fehler. Ich kann den Mörder überführen. Wenn Sie es einrichten könnten, dass ich Herzefeldes Akten einsehe, bin ich sicher, dass ich den Fall in weniger als einer Woche gelöst habe.»
    «Sie hatten alle Zeit, die Sie für diesen Fall jemals bekommen werden, Gunther. Es tut mir leid, aber so ist es nun einmal. Ich werde Sie außerdem versetzen. Ich nehme Sie heraus aus der Inspektion A.»
    «Heraus aus Mord und Körperverletzung? Aber warum? Ich leiste gute Arbeit, Herr Präsident.» Ich blickte zu Gennat. «Sagen Sie es ihm, Ernst. Sitzen Sie nicht einfach nur da und halten Sie Maulaffen feil. Sie wissen, dass ich gut bin. Sie selbst haben mich ausgebildet.»
    Gennat rutschte verlegen auf seinem gewaltig dicken Hintern hin und her. Er sah aus, als hätte er Schmerzen – als hätte er Probleme mit seinen Hämorrhoiden. «Es liegt nicht mehr in meinerHand, Bernie», sagte er. «Es tut mir leid. Es tut mir aufrichtig leid, aber die Entscheidung ist gefallen.»
    «Sicher, sicher. Ich verstehe. Sie wollen eine ruhige Kugel schieben, Ernst. Keine Scherereien. Keine Politik. Übrigens – stimmt es, dass Sie einer der Ermittler waren, die mit einer Flasche Wein in Isidors Büro aufgetaucht sind, um Dr.   Mosle zu begrüßen?

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