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Das letzte Geleit: Kriminalroman (German Edition)

Das letzte Geleit: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Das letzte Geleit: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Fux
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zugerichtet?«
    »Sie hat mir einen Stein an den Kopf geschmissen«, heulte Fritz. Er sah immer noch so aus, als wollte er Anna niederschlagen.
    »Zeig mal her.« Sven ging die Treppen hinunter und drehte den Kopf des Verletzten ins Mondlicht. »Halb so wild«, sagte er. »Geh zu Schwester Helena und lass dir einen Verband machen.«
    Fritz warf noch einen hasserfüllten Blick auf Anna. Dann drehte er sich um und stapfte davon.
    Anna atmete hörbar aus. »Ich dachte, der bringt mich um.«
    »Komm, wir gehen ein bisschen spazieren.«
    Anna packte ihn am Arm. »Wo ist Maja?«
    »Der geht’s gut.« Er dirigierte sie in Richtung des alten Apfelgartens. Obwohl die Früchte längst noch nicht reif waren, verströmten sie einen köstlichen Duft. Sven ließ sich nieder und lehnte sich mit dem Rücken an einen Baumstamm. »Was für ein Tag«, sagte er.
    Er sah glücklich aus, fand Anna. Sie kniete sich neben ihn in das moosige Gras. Es schmiegte sich kühl an ihre nackten Beine. »Erzähl schon.«
    »Du musst wissen, Konrad und ich, wir haben jeder unsere eigenen Patienten. Darüber reden wir nicht groß.« Er warf Anna einen bedeutungsvollen Blick zu. »Und eine davon ist jetzt Maja.«
    »Was meinst du damit, ›eure eigenen Patienten‹?«
    »Hör zu. Wir haben jeder ein eigenes Forschungsprojekt, Konstantin und ich. Die Angelegenheit ist etwas … delikat. Darum sprechen wir normalerweise nicht darüber.«
    »Du meinst, ihr … experimentiert mit den Patienten herum?«
    Sven seufzte. »Siehst du, genau aus dem Grund hängen wir es nicht an die große Glocke. Jede neue Behandlungsmethode muss irgendwann zum ersten Mal an Menschen ausprobiert werden. Heute habe ich eine völlig neuartige Operation durchgeführt.«
    »Etwa an Maja?«
    »Nein, natürlich nicht. Maja kann man nicht so einfach operieren. Ich habe unseren kleinen Hydrocephalus behandelt.«
    »Du meinst Karl?«
    »Genau.«
    »Aber wie soll man denn einen Wasserkopf wegoperieren?«
    Er lachte nachsichtig. »Weißt du, wie ein Wasserkopf entsteht?«
    »Das passiert, wenn die Flüssigkeit im Gehirn nicht abfließen kann.«
    »Kluges Kind.«
    »Dann dehnt sich der Schädel unter dem Druck.«
    »Und Nervenzellen gehen zugrunde. Aber genau das habe ich jetzt behoben.«
    »Wie denn?«
    »Ganz einfach. Ich habe einen Abfluss gelegt.«
    »Einen Gully fürs Gehirn?«
    Er lachte. »So kann man das natürlich auch sehen. Ich habe einfach ein Röhrchen eingebaut, damit die Flüssigkeit abfließen kann.«
    »Und wohin fließt die?«
    »In den Bauchraum.«
    »Igitt«, sagte Anna.
    »Besser als verblöden«, meinte Sven sachlich.
    »Und Maja?«
    »Maja bekommt eine elektrische Hirnstimulation.«
    »Elektroschocks?« Anna war alarmiert. Sie hatte über diese Therapie, mit der meist arme Wahnsinnige ruhiggestellt wurden, Schreckliches gehört.
    »Kein Gedanke. Es geht darum, ihr Gehirn mit minimalem Stromfluss wieder in die richtige Bahn zu lenken. Zu synchronisieren.«
    »Und das funktioniert?«
    »Woher soll ich das wissen?«, gab er zu. »Aber sieh es doch mal so: Solange Maja Teil meines Experiments ist, ist sie kein nutzloser Esser mehr. Sie ist ein wertvolles Forschungsobjekt. Somit steht sie unter meinem persönlichen Schutz.«
    Anna nickte langsam.
    »Und dann wird sie irgendwann leider versterben …«
    Anna erstarrte. Sven packte sie am Arm.
    »Wir werden sie betrauern und begraben und dann, dann lassen wir sie heimlich wiederauferstehen.«
    Anna starrte ihn verständnislos an.
    »Wir schaffen sie über die Grenze nach Dänemark. Da habe ich einen guten Freund, der eine Klinik leitet. Da ist sie sicher.«
    Anna war immer noch skeptisch. Aber es war immerhin eine Chance.
    »Und Karl? Lassen wir den auch wiederauferstehen?«
    Sven schüttelte den Kopf. »Karl. Der ist entweder durch meine Operation geheilt. Ich meine, er wird zwar immer einen vergrößerten Kopf behalten, aber mit etwas Glück kann sich sein Hirn endlich wirklich entfalten.«
    »Oder?«
    »Oder er stirbt daran.«

Kapitel 13
     
    Operation Gomorrha
     
    Freitag, 26. Dezember 2008
    Karl hatte Glück gehabt. In jeder Beziehung. Er hatte die Operation nicht nur überlebt. Sein Hirn hatte sich zu verblüffender Blüte entfaltet. 1945 hatte ihn zudem eine entfernte Cousine seiner verstorbenen Mutter aufgestöbert und adoptiert. Eines Tages war sie in die Klinik spaziert und hatte ihn einfach mitgenommen: ein klapperdürres, in Pelz gehülltes Geschöpf, an dessen mageren Armen zahllose Ringe und Armbänder

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