Das letzte Hemd
ihm. Sie
gingen auf das Gebäude zu und dann seitlich darum herum. An der hinteren Seite
konnte man die Fensterläden ein Stück öffnen. Larry blickte durch die
schmutzige Scheibe in einen fast völlig leeren Raum, nur der Bürostuhl, auf dem
Bedford gesessen hatte, stand in der einen Ecke neben einem zusammengeklappten
Klapptisch.
Auch Calzone riskierte einen Blick. »Die waren aber gründlich, würde
ich sagen.«
»Dann sag’s doch«, meinte Larry. Er seufzte. »Das hatte ich mir
schon fast gedacht, dass wir hier nichts mehr vorfinden. Wenn die wirklich
etwas mit den Autobränden und diesem Film aus der Blackbox zu tun haben, dann
haben die sich längst aus dem Staub gemacht, wahrscheinlich gleich nachdem sie
mich angeheuert hatten.«
Calzone kniff die Augen zusammen, anscheinend hoch konzentriert.
»Und was ist mit den Kontaktdaten? E-Mail, Mobilnummer … Das kann man doch
bestimmt zurückverfolgen.«
Larry nickte, winkte aber gleich ab. »Ja, das sollte man alles
überprüfen. Aber ich tippe mal, dass das wenig bis gar nichts bringt. Eine
gmx-Adresse kann sich jeder besorgen, wie er lustig ist, und die Mobilnummer
gehört mit Sicherheit zu einer Prepaid-Karte, die sie inzwischen längst
entsorgt haben, wenn sie schlau sind.«
» Wenn sie schlau sind«, echote Calzone.
»Also blöd sahen die nicht aus, und bei all dem Aufwand … Das lässt
sich höchstens zu Erik Mustermann zurückverfolgen. Oder wahrscheinlich eher
noch zu John Doe.«
Sie stiegen ins Auto und fuhren wieder zurück. Eine kurze Nachfrage
bei einem der uniformierten Wachbeamten am Hauptgebäude brachte Gewissheit: So
etwas wie ein Military Media Centre gab es weder da, wo sie es gerade gesucht
hatten, noch sonst irgendwo auf dem Gelände, außerdem waren die Zuständigkeiten
für Medien und Website ganz anders verteilt. Und einen Major Bedford gab es
ebenfalls nirgends – einen Major sowieso nicht, wie der Wachmann blasiert
erklärte, denn diesen Dienstgrad gebe es gar nicht bei der Royal Air Force. Und
Marshall Bedford konnten sie nicht meinen, denn der sei wesentlich älter als
beschrieben und habe auch keinen Sohn, der ihn vielleicht hätte imitieren
können.
Unter den kritischen Blicken des Wachbeamten stiegen sie wieder ins
Auto. Larry hob die Hand zum Gruß, als sie an ihm vorbeifuhren, aber der Mann
reagierte mit keiner Wimper. Erst als sie schon ein Stück gefahren waren, sah
Larry im Rückspiegel, dass er in das Gebäude ging. »Der löst jetzt bestimmt
Großalarm oder eine Terrorfahndung aus.«
Calzone kicherte albern. »Wahrscheinlich eher eine Drogenrazzia. Der
hat uns doch bestimmt für völlig bekifft gehalten. Das mit dem Major hätte ich
dir übrigens auch sagen können.«
Larry sah ihn schräg an. »Du, als alter Kriegsdienstverweigerer? Ist
dein neues Hobby jetzt militärische Ränge auswendig lernen?«
»Nein, so was weiß man einfach. Major Healey, Major Nelson,
bezaubernde Jeannie – das waren alles Amis.«
»Und Major Tom? Der war nun ganz eindeutig Engländer.«
»Quatsch, der kommt doch aus dem Badischen, Stuttgart oder so …«
Larry bremste und sah ihn verstört an. »David Bowie? Aus dem
Badischen? Willst du mich verarschen?«
Calzone lachte. »Ach was, Bowie … Peter Schilling!«
Jetzt mussten beide lachen, weil sie automatisch an ihre Band denken
mussten, mit der sie damals grottenschlecht Neue-Deutsche-Welle-Songs
nachgespielt hatten. Benannt hatten sie sich nach dem Hit »Goldener Reiter« von
Joachim Witt, allerdings variiert durch den Stadtteil, aus dem die Hälfte der
Band kam: »Goldene Rheydter«. Sie fanden sich dabei sehr clever. Das Publikum
sah das meist anders.
»Ich muss unbedingt mal wieder die Kassetten von damals suchen,
irgendwo hab ich die bestimmt noch«, meinte Calzone.
Larry hob in gespieltem Entsetzen die eine Hand. »Echt? Ich dachte,
die sind längst vermodert … Au ja, da machen wir unseren ganz persönlichen
Horrorabend, wenn das hier vorbei ist.«
»Apropos vorbei: Weißt du jetzt mehr darüber, was aus all dem hier«,
Calzone zeigte in die Gegend außerhalb des Autos, »was aus all dem werden soll?
Du hast mal so eine Andeutung gemacht.«
Larry nickte. »Stimmt, muss aber unter uns bleiben.«
Calzone legte mit übertriebener Geste die rechte Hand auf seine
linke Brust und fuhr sie mit ausgestrecktem Zeige- und Mittelfinger nach vorne
aus. Er sagte: »Ich schwöre!«, was bei ihm wie ein Wort klang und schon dadurch
konterkariert wurde, dass am Ende der Bewegung
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