Das letzte Hemd
lediglich sein Mittelfinger
stehen blieb.
Larry senkte verschwörerisch die Stimme. »Ich sag nur: Hollywood.«
Calzone sah ihn spöttisch an. »Du? Als was, Traumtänzer?«
»Quatsch. Ein großes Filmstudio will eventuell das ganze Areal
kaufen und zu einem Erlebnispark und Drehort machen. Ich vermittle gerade die
Kontakte. Ist aber alles noch im Anfangsstadium.«
»Und es würde mich auch nicht gewaltig wundern, wenn es darüber
nicht hinauskommt. Das haben sie doch schon in Bottrop versucht, und es hat
nicht geklappt, und das Disneyland Paris hat auch lange genug gebraucht. Da
kauft eher Rheinbraun den ganzen Kladderadatsch und schüttet es mit dem Abraum
von Garzweiler zwo zu …«
»Glaub’s oder glaub’s nicht. Aber frag mich nicht nach
Premierenkarten, wenn demnächst hier großes Hollywoodkino spielt.«
Calzone lachte. »Ich seh’s schon vor mir: ›Letzte Ausfahrt
Odenkirchen‹, ›Jenseits von Korschenbroich‹ und ›Schlaflos in Sasserath‹.«
Jetzt musste auch Larry lachen. Irgendwie glaubte auch er, dass hier
höchstens mal eine Folge von »Alarm für Cobra 11« gedreht werden würde.
***
Nach elend langer Fahrt endlich in Berlin angekommen, parkte
Rosenmair gleich hinter der Bundesdruckerei und machte sich zu Fuß auf den Weg
in Richtung Gendarmenmarkt. Den Tipp hatte Marlene ihm gegeben, die seine
Probleme mit Parkhäusern kannte, in die er nach Möglichkeit niemals fuhr. In
den Vierteln südlich der Leipziger Straße konnte man noch kostenlos parken, was
immer unmöglicher wurde, je weiter man sich dem Potsdamer Platz näherte. Und da
er eigentlich nur Termine in der unmittelbaren bis weiteren Umgebung hatte,
gedachte Rosenmair, sein Fahrzeug das Wochenende über dort stehen zu lassen. So
würden ihn auch nicht mehr Leute als nötig damit in Verbindung bringen.
Er schlenderte weiter in Richtung Friedrichstraße, er hatte noch
Zeit bis zu seinem Treffen mit dem Pressesprecher der großen
Versicherungsgesellschaft, zu der auch die Kölner Capitol-Versicherung gehörte,
die mit der Lagerhalle und damit auch mit Kolbichs Unfall befasst war. Nachdem
er dort nicht weitergekommen und telefonisch nur mehrfach auf das Haupthaus in
Berlin verwiesen worden war, hatte er sich schließlich auf den alten Trick
verlegt, mit Medienöffentlichkeit zu drohen: Er gab sich als Redakteur der
Ratgeber- und Verbraucherschutzsendung »Wir kämpfen für Sie!« aus, die mal
wieder auf ein Einzelschicksal aufmerksam machen wollte als Beispiel für so
viele. Die Maskerade als TV -Produzent hatte ja in
Hamburg auch schon mal gut geklappt, allerdings war es natürlich etwas anderes,
mit einer ältlichen Nachbarin Tee zu trinken, als mit einem gewieften,
geschulten und ganz bestimmt jungdynamischen Medienmanager zu verhandeln. Egal,
jetzt hatte er gleich den Termin. Rosenmair vertraute auf sein Glück, seinen
»Dusel«, wie sein Nachbar Becker sagen würde. Bei Becker fiel ihm Rüttgers ein,
also der Hund, und Rosenmair ertappte sich mit seinen Mitte fünfzig doch
tatsächlich dabei, dass er sich Gedanken machte, ob es dem Tier bei seinem
vielbeschäftigten Polizeipflegeherrchen auch wirklich gut ging. Wenn Marlene
davon erfuhr, würde er sich das lange anhören müssen, wahrscheinlich mindestens
bis zur nächsten Wahl in NRW , wann immer die sein
würde …
Marlene hatte sich natürlich schon per SMS gemeldet. Sie habe am Nachmittag noch eine Konferenz und würde sich sehr
freuen, ihn danach zu treffen. Die Konferenz hieß mit Sicherheit »Advanced
Power Meeting« oder »Senior Advisors Meet & Greet«. Rosenmair konnte nicht
verstehen, wie Marlene diese aufgeblasene Wichtigtuergesellschaft ertrug, aber
sie bewegte sich ganz locker und selbstverständlich zwischen den beiden Welten.
In ihrer Geschäftswelt war sie mit Sicherheit super-advanced und highly skilled , wenn er sie traf, war sie einfach
Marlene, die in kürzester Zeit die Pumps und das Businessoutfit gegen
Bequemklamotten und ein Glas Rotwein vor dem Kamin eintauschen konnte, um bei
ausgeschaltetem Smartphone in einem dicken Buch zu schmökern. Und das nannte er advanced und highly skilled .
Da er noch einen Kaffee trinken wollte, sah er sich nach einem Café
oder so um – und musste im nächsten Moment fast lachen, denn zu seiner Linken
war eine größere Bäckereifiliale, eine Ecke weiter eine Dependance des »Café
Einstein« und gleich gegenüber eine Filiale der US -Kette
»Starbucks«. Er entschied sich für das Einstein, da es ihm am ehesten
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